Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung – Zulässigkeit einer Vorwegnahme der Hauptsache

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Antrag, das FA im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den beim Amtsgericht gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ast. zurückzunehmen, ist zulässig.
  2. Bei einem vom FA gestellten Insolvenzantrag handelt es sich nicht um einen VA, weil der Antrag selbst keine unmittelbare nach außen gerichtete Rechtswirkung entfaltet. Daher kommt als vorläufiger Rechtsschutz für ein auf Rücknahme des Insolvenzantrags gerichtetes Begehren nicht ein Antrag auf AdV nach § 69 FGO in Betracht, sondern eine einstweilige Anordnung.
  3. Zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes.
  4. Ist ein Ast. im Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens allenfalls mit 3 x 1.000 € im Rückstand, so lässt ein derart geringer Rückstand einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als ermessensfehlerhaft erscheinen.
  5. Die Vorwegnahme einer Entscheidung der Hauptsache ist ausnahmsweise zulässig, wenn andernfalls kein Rechtsschutz gewährt werden kann.
 

Normenkette

FGO § 114; InsO §§ 16-17, 19

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 28.02.2011; Aktenzeichen VII B 224/10)

 

Tatbestand

Der Antragsteller erzielt Einkünfte aus einer gewerblichen Zimmervermietung. Im Anschluss an eine Außenprüfung geriet er mit Einkommensteuer- und Umsatzsteuerzahlungen zuzüglich Nebenleistungen in Rückstand. Es handelte sich zunächst um Steuerfestsetzungen für die Jahre 2005 bis 2008. Die vollstreckbaren Rückstände betrugen nach einer Aufstellung vom 2. September 2009 57.472,19 €.

Das FA brachte folgende Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aus:

am 02.09.2009 über den Gesamtbetrag von 57.495,59 € gegenüber der Kreissparkasse N,

am 05.10.2009 über den Betrag von 64.780,40 € gegenüber der B Bank,

am 01.12.2009 gegenüber der Sparkasse G über den Betrag 65.023,95 €,

am 01.12.2009 gegenüber der Zweckverbandssparkasse über den Betrag von 65.027,40 €.

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gingen ins Leere, weil die gepfändeten Konten entweder nur ein geringfügiges Guthaben aufwiesen oder es überhaupt an einer Geschäftsbeziehung zwischen Drittschuldnerin und Antragsteller fehlte.

Ferner überprüfte das FA, ob die Ablösung eines Kredits in Höhe von 24.224,89 € zuzüglich Zinsen zum 30. September 2009, den der Antragsteller für den Ankauf eines Pkw Porsche Cayenne unter Eigentumsvorbehalt bei der B Bank aufgenommen hatte, in Betracht kommen könnte, um im Wege einer Pfändung und Verwertung des Pkw Steuerforderungen zu realisieren. Aufgrund des Gutachtens eines Kraftfahrzeugsachverständigen zum Bewertungsstichtag vom…Dezember 2009, der einen Händlereinkaufswert von netto 22.478,99 € ermittelte und einen Händlerverkaufswert von 27.184,87 €, verfolgte das FA diese Verwertungsmöglichkeit nicht weiter.

Das FA stellte ein Kontenabrufersuchen nach § 93, § 93b Abgabenordnung (AO) an das Bundeszentralamt für Steuern. Nach der Auskunft vom 13. November 2009 war der Antragsteller nicht Kontoinhaber weiterer Konten über die Konten hinaus, für die das FA bereits Pfändungs- und Einziehungsverfügungen ausgebracht hatte.

Einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung und einen Antrag auf Stundung lehnte das FA mit Bescheid vom 15. Oktober 2009 und 22. Oktober 2009 bzw. 18. Dezember 2009 als unbegründet ab. Die hiergegen erhobenen Einsprüche blieben erfolglos. Die Einspruchsbescheide wurden bestandskräftig.

Das FA brachte ferner anlässlich eines Besuchs des Vollziehungsbeamten am 1. Oktober Sachpfändungen für einen Laptop sowie einen Fernseher aus, die jedoch in der Folgezeit wieder aufgehoben wurden.

Anlässlich eines Gesprächs des Bevollmächtigten des Antragsteller und Vertretern des FA wurde am 19. Januar 2010 eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen. Danach sollte der Antragsteller den Zahlungspflichten für neu festgesetzte Einkommensteuer-Vorauszahlungen nachkommen und die Umsatzsteuer nach ordnungsgemäßer Buchhaltung quartalsweise zeitnah begleichen. Ferner wurde die Zahlung einer monatlichen Rate von 1.000 € sowie die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vereinbart. Nach einer handschriftlichen Notiz vom 20. Januar 2010 sollte der Antragsteller Zahlungen von 1000 € alle vierzehn Tage leisten. Der Antragsteller gab am 1. Februar 2010 die eidesstattliche Versicherung ab. Wesentliches pfändbares Vermögen ergab sich daraus nicht.

Nach einer Aufstellung der vollstreckbaren Rückstände vom 21. Juli 2010 betrugen die vollstreckbaren Rückstände noch 42.548,39 €. Nach einem Vermerk der Vollstreckungsstelle hatte der Antragsteller die vereinbarten vierzehntägige Raten auf den Betrag von 500 € reduziert. Das FA stellte ferner fest, dass zu Gunsten des Antragstellers eine luxemburgische Lebensversicherung bestand, die aus dem anlässlich der eidesstattlichen Versicherung abgegebenen Vermögensverzeichnis nicht ersichtlich war. Das FA nahm ...

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