rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzuschätzungen bei einer Spielhalle

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Rechtmäßigkeit von Bescheiden über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie über den Gewerbesteuermessbetrag, in denen hinzugeschätzte Einnahmen berücksichtigt sind, kann ernstlich zweifelhaft sein, wenn das Finanzamt, ohne die Zusammenhänge nachvollziehbar zu erläutern, seine Schätzungsbefugnis aus dem Fehlen des Statistikteils der Auslesestreifen herleitet, in dem "durch Hand eingestellte Kreditbeträge und Sonderspiele" der Geldglücksspielgeräte ausgewiesen sein sollen, die Hinzurechnungen per Hand zur elektronisch gezählten Kasse erforderlich machen sollen.

Die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden, in denen hinzugeschätzte Einnahmen berücksichtigt sind, kann ernstlich zweifelhaft sein, wenn das Finanzamt ausgehend von den gebuchten Betriebsausgaben anhand der Reingewinnsätze der Richtsatzsammlung die Betriebseinnahmen schätzt, wenn nicht sicher ist, dass der Steuerpflichtige - wie bei den Richtsatzbetrieben vorausgesetzt - im Betrieb unentgeltlich mitarbeitet.

 

Normenkette

AO 1977 § 162

 

Tatbestand

I.

Streitig sind Hinzuschätzungen im Anschluss an eine Außenprüfung.

Der Antragsteller betreibt mehrere Spielhallen mit Geldglücksspielgeräten, seit dem … 20xx auch eine Spielhalle in A im Bezirk des Antragsgegners (das Finanzamt). Einkommensteuerlich wird er bei einem anderen Finanzamt geführt. Er war bis März 20xx+1 als … in Vollzeit nichtselbständig tätig. Seit dem … Juli 20xx+2 ist er nach den Erkenntnissen der Finanzbehörden bei der B GmbH angestellt, deren Geschäftsführerin seine Schwester ist.

Der Antragsteller ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Für die Jahre 20xx - 20xx+2 erklärte der Antragsteller Verluste in Höhe von 29-40 T€. Das Finanzamt erließ erklärungsgemäße Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und über den Gewerbesteuermessbetrag, die mit Ausnahme der für das Jahr 20xx+1 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen.

Das Finanzamt ordnete im Jahr 20xx+4 eine Außenprüfung an, die sich unter anderem auf die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie die Gewerbesteuer 20xx-20xx+2 erstrecken sollte. Die Außenprüfung begann 20xx+4.

Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, die Aufzeichnungen des Antragstellers seien formell nicht ordnungsgemäß. Er rügte insbesondere, die Statistikteile der Auslesestreifen der Geräte seien regelmäßig nicht ausgedruckt bzw. nach dem Ausdruck vom Auslesestreifen abgeschnitten worden. Es lägen fast ausschließlich nur sogenannte Kurzstreifen vor. Ohne die Angaben im Statistikteil sei die Beweiskraft eines Auslesestreifens nicht gegeben. Da in diesem Teil neben der Spielstatistik unter anderem die Seriennummer, die Fehlermeldungen, die Ereignisliste und die Liste der Türöffnungen abgebildet würden und alle diese Angaben bestimmten Plausibilitäten unterlägen, träte eine Beweiskraft dieser Belege im Sinne von § 158 Abgabenordnung (AO) als Teil der Buchführung erst mit Vorlage des vollständigen Auslesestreifens (sog. Langstreifen) ein. Es handele sich um einen Verstoß gegen § 147 Abs. 1 Nummer 4 AO. Die Buchführungsmängel erschütterten die Beweiskraft der Buchführung (§ 158 AO), sodass die Buchführungsergebnisse hinsichtlich der Vollständigkeit der Erlöse nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden könnten. Die Buchführungsergebnisse seien gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen.

Der Prüfer sah es als sachgerecht an, eine Schätzung ausgehend von den erklärten Betriebsausgaben nach dem amtlichen Richtsatz für den Reingewinn vorzunehmen, weil die Betriebsausgaben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vollständig in den Aufzeichnungen erfasst seien. Im Betriebsprüfungsbericht heißt es, als Schätzungsgrundlage dienten somit die Zahlenwerte des Unternehmens. Um Lage, Ausstattung und Bekanntheit angemessen zu berücksichtigen, setzte er einen durchschnittlichen Richtsatz an, im Übernahmejahr 20xx davon die Hälfte. Es ergaben sich so für die Jahre 20xx-20xx+2 Hinzuschätzungen zum Gewinn von (brutto) 43, 123 und 151 T€. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Außenprüfung vom … 20xx+5 verwiesen.

Das Finanzamt erließ der Rechtsauffassung des Prüfers entsprechende Änderungsbescheide für die Prüfungsjahre, die auf § 164 Abs. 2 AO bzw. für 20xx+1 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt waren. Außerdem änderte es den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid für 20xx+3 über den Gewerbesteuermessbetrag, weil der ursprünglich angerechnete Verlust entfallen war. Die Bescheide für 20xx und 20xx+3 über den Gewerbesteuermessbetrag lauten auch nach der Änderung auf 0 €. Sämtliche Bescheide sind mit Einsprüchen angefochten, über die noch nicht entschieden ist. Das Finanzamt hat mit Bescheid vom … 2019 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der streitigen Bescheide abgelehnt.

Der Antragsteller begehrt, sämtliche streitigen Bescheide ...

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