Leitsatz

Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG und Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG sind mit der Folge nebeneinander anwendbar (sog. integrierte Steuerberechnung), dass sich ein negativer Progressionsvorbehalt im Rahmen der Ermittlung des Steuerbetrags nach § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG wegen des niedrigeren Steuersatzes notwendig steuermindernd auswirkt.

 

Normenkette

§ 32a Abs. 1 Sätze 1, 2, § 32b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 34 Abs. 1 Sätze 1, 3 EStG

 

Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich bereits aus dem Vorstehenden. Das FG (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.12.2010, 2 K 1589/10, Haufe-Index 2721533, EFG 2011, 1788) beanstandete die Steuerberechnung des FA nicht. Träfen nämlich Tarifermäßigung mit negativem Progressionsvorbehalt zusammen, kämen beide Vergünstigungen zur Anwendung und es sei eine sog. integrierte Steuerberechnung nach dem Günstigkeitsprinzip vorzunehmen. Die Belastungsvergleichsrechnung des FA zeige, dass die finanzamtliche Ermittlung unter Berücksichtigung von Tarifermäßigung und negativem Progressionsvorbehalt zu einem für K günstigen Ergebnis führe.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte diese Entscheidung. Wie sieht die Subsumtion im vorliegenden Einzelfall aus?

1. Das FA hat in Anlehnung an H 34.2 Beispiel 4 EStH und unter Beachtung der in den Praxis-Hinweisen dargelegten Grundsätze die tarifliche Einkommensteuer für das Streitjahr gem. § 32a Abs. 1, § 32b Abs. 2, § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG zutreffend angesetzt. Dabei ist es von Einkünften i.S.d. § 34 Abs. 2 EStG i.H.v. 256.751 EUR, einem zvE i.H.v. 248.879 EUR und einem verbleibenden negativen zvE i.H.v. –7.872 EUR ausgegangen. Auf dieser Basis hat es vom 1/5‐zvE i.H.v. (248.879 EUR: 5 =) 49.775 EUR unter Abzug des Arbeitslosengeld-Saldos i.H.v. 3.374 EUR das maßgebende verbleibende 1/5-zvE i.H.v. 46.401 EUR errechnet. Darauf ergibt sich eine Einkommensteuer nach Grundtarif i.H.v. 11.649 EUR bei einem (durchschnittlichen =) besonderen Steuersatz von 25,1051 %. Dieser angewandt auf das 1/5-zvE (49.775 EUR) führt zu einer Einkommensteuer i.H.v. 12.496 EUR, multipliziert mit fünf ergibt eine tarifliche Einkommensteuer i.H.v. 62.480 EUR.

2. Dieser Steuerbetrag trägt auch dem Günstigkeitsprinzip Rechnung, wie eine Berechnung der anderen Fall-Varianten aufzeigt: nämlich eine Steuerberechnung ohne Tarifermäßigung und ohne Progressionsvorbehalt (96.615 EUR), ohne Tarifermäßigung und mit negativem Progressionsvorbehalt von 3.374 EUR (96.506 EUR), mit Tarifermäßigung und ohne Progressionsvorbehalt (65.020 EUR) sowie mit Tarifermäßigung und ohne Progressionsvorbehalt, aber mit negativen Einkünften von 3.374 EUR (FA: 63.700 EUR).

3. Die Berechnung des K (Praxis-Hinweise Nr. 1) geht schon von unzutreffenden Annahmen aus; denn der Saldo der Arbeitslosengeld-Leistungen beträgt nicht 3.774 EUR, sondern 3.374 EUR, und die anzusetzenden Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 2 EStG belaufen sich auf 256.751 EUR, nicht auf die reinen Einnahmen in Höhe von 260.000 EUR. Auch ist kein sog. Unterschiedsbetrag (i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG) zu ermitteln, denn im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG (verbleibendes zvE negativ mit -7.872 EUR und zvE positiv mit 248.879 EUR) gegeben. Zudem ist die Steuer auch nicht auf ein Fünftel der außerordentlichen Einkünfte (wie in § 34 Abs. 1 Satz 2 a.E. EStG) zu ermitteln und in die Berechnung einzubeziehen, sondern die auf ein Fünftel des zvE. Daher entspricht die Berechnung des Klägers nicht den gesetzlichen Vorgaben.

 

Hinweis

Diese Entscheidung betrifft komplizierte Tariffragen, die man ohne genaue Berechnungen nicht verstehen kann. Deshalb werden zunächst die maßgeblichen Zahlen dargestellt.

1. K muss im Jahr 2008 insgesamt 3.374 EUR an die Arbeitsverwaltung zurückzahlen. Er erlangt eine (nach § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigte) Abfindung von 260.000 EUR. Das FA ermittelt Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit von 256.751 EUR, ein zu versteuerndes Einkommen von 248.879 EUR, ein nach § 34 Abs. 1 EStG "verbleibendes zu versteuerndes Einkommen" von –7.872 EUR und setzte die Einkommensteuer nach H 34.2 Beispiel 4 EStH auf 62.180 EUR fest.

K rechnet anders: Wenn das um das zurückgezahlte Arbeitslosengeld von 3.774 EUR verminderte zvE von 245.105 EUR von den außerordentlichen Einkünften von 260.000 EUR abgezogen wird, ergibt sich ein Negativbetrag von 14.895 EUR mit einer Steuer von 0 EUR. Addiere man diesen Negativbetrag zu 1/5 des außerordentlichen Einkommens, nämlich (260.000 EUR geteilt durch 5 =) 52.000 EUR, ergibt das 37.105 EUR mit einer Steuer von 8.187 EUR. Die Steuer auf die außerordentlichen Einkünfte betrage demnach (8.187 EUR x 5 =) 40.935 EUR. Hieraus folge ein Steuersatz von 16,7010 % (40.935 EUR zu 245.105 EUR). Diesen angelegt auf das zvE von 248.879 EUR ergebe eine tarifliche Einkommensteuer von 41.565 EUR. Wer rechnet richtig?

2. Zunächst zu den Maßstäben: Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach dem zu versteuernden Einkommen, vorbehaltlich u.a. der § 32b und § 34 EStG (§ 32a Ab...

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