Leitsatz

Hat der darlehengebende Gesellschafter mit der Gesellschaft vereinbart, das Darlehen solle "wie Eigenkapital" behandelt werden, und halten sich die Beteiligten in der Insolvenz der Gesellschaft an diese Abrede, führt der endgültige Ausfall des Darlehenrückforderungsanspruchs zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung, auch wenn der Gesellschafter mit nicht mehr als 10 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt war (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 20.8.2013, IX R 43/12, BFH/NV 2013, 1783).

 

Normenkette

§ 17 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 EStG, § 32a GmbHG a.F., § 41 Abs. 1 Satz 1 AO, § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB

 

Sachverhalt

Der gem. § 32 Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F. an einer GmbH nicht unternehmerisch beteiligte Kläger gewährte der Gesellschaft mehrere Darlehen, die wie Eigenkapital behandelt werden sollten. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft erhielt er keine Zahlungen. Das FA berücksichtigte wegen des zivilrechtlichen Kleinanlegerprivilegs nur den Verlust des Stammkapitals. Das FG Münster (Urteil vom 13.3.2013, 12 K 1528/11 E, Haufe-Index 6330392, EFG 2014, 134) hat der Klage stattgegeben und wegen des Ausfalls mit den Darlehensrückzahlungsansprüchen nachträgliche Anschaffungskosten anerkannt.

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte keinen Erfolg.

 

Hinweis

Was bedeutet der Wegfall des gesellschaftsrechtlichen Eigenkapitalersatzrechts für die Anwendung des § 17 EStG? Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt, obwohl die zivilrechtlichen Rechtsänderungen bereits 2008 in Kraft getreten sind. Die vorliegende Entscheidung betrifft ebenfalls noch das alte Eigenkapitalersatzrecht. Das neue Recht scheint hier aber zumindest zwischen den Zeilen schon durch. Insofern dürfte die Entscheidung von einigem Interesse sein.

1. Finanzierungsbeiträge der Gesellschafter führen nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S.v. § 17 EStG, wenn sie zivilrechtlich Eigenkapital ersetzend sind. Die Regeln über den Eigenkapitalersatz gelten aber nicht für nicht geschäftsführende Gesellschafter, die mit 10 % oder weniger am Stammkapital beteiligt sind (§ 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F., Kleinanlegerprivileg). Gewährt ein solcher Gesellschafter der Gesellschaft ein Darlehen und fällt er mit seinem Rückzahlungsanspruch insolvenzbedingt aus, führt dies grundsätzlich nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten seiner Beteiligung. Das war die vom BFH mehrfach bestätigte Rechtslage vor Erlass des Urteils (vgl. Rechtsprechungsnachweise in Rz. 15 des Besprechungsurteils).

2. Von dieser für die Betroffenen wenig erfreulichen Rechtslage hat der BFH nun eine Ausnahme gemacht und die strikte Bindung an das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht gelockert für den Fall, dass "besondere Umstände für die Veranlassung einer Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis sprechen" (Rz. 16; die Formulierung des Leitsatzes lässt diese Einschränkung allerdings nicht erkennen). Dafür müssen wohl zwei Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

a) Der Gesellschafter muss vor dem Eintritt der Krise erklärt oder mit der Gesellschaft vereinbart haben, dass sein Darlehen wie Eigenkapital behandelt werden soll, und
b) die Beteiligten müssen das Vereinbarte auch tatsächlich durchgeführt und das Darlehen im Insolvenzverfahren nachrangig behandelt haben.

Dann ergibt sich die Rechtsfolge (nachträgliche Anschaffungskosten) unmittelbar aus § 17 EStG. Die Voraussetzungen des zivilrechtlichen Eigenkapitalersatzrechts sind keine Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 EStG (mehr).

3. Es kann offenbleiben, ob die Vereinbarung, das Darlehen "wie Eigenkapital" zu behandeln, wirksam war, denn die zivilrechtliche Unwirksamkeit wäre unter den Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO steuerlich bedeutungslos.

4. Die Sachlage entsprach also derjenigen nach dem Wegfall des Eigenkapitalrechts. Sicher, die Entscheidung klärt noch keine Details. Sie lässt z.B. offen, welche Anforderungen in Zukunft an die Vereinbarung, das Darlehen "wie Eigenkapital" zu behandeln, im Einzelnen zu stellen sind. Auch der vom BFH ausdrücklich erwähnte, offene Begriff des "funktionellen Eigenkapitals" hilft insofern nicht weiter. Immerhin: Es erscheint aber nun absehbar, dass der BFH eine steuerrechtliche Lösung suchen wird, um den Wertungen, die dem Eigenkapitalersatzrecht zugrunde lagen, auch in Zukunft bei der Anwendung von § 17 EStG zum Durchbruch zu verhelfen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 6.5.2014 – IX R 44/13

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