Leitsatz

1. Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung von ertragsteuerrechtlichen Besteuerungsgrundlagen einer Personengesellschaft kommt es für die Frage, ob eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 AO zu einer höheren oder niedrigeren "Steuer" führt, nur auf die Änderungen der Besteuerungsgrundlagen an. Die steuerlichen Auswirkungen in den Folgebescheiden sind nicht maßgeblich.

2. Ob sich die Besteuerungsgrundlagen erhöhen oder verringern, ist bei der Feststellung von ertragsteuerrechtlichen Besteuerungsgrundlagen einer Personengesellschaft nicht für die Gesellschaft insgesamt, sondern für jeden einzelnen Feststellungsbeteiligten getrennt zu beurteilen.

3. Bei einer nachträglich bekannt gewordenen, steuerrechtlich beachtlichen Gewinnverteilungsabrede sind die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt, soweit sich die Gewinnanteile erhöhen. Der Bescheid ist nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern, soweit sich die Gewinnanteile verringern.

4. Auf ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden einer Gewinnverteilungsabrede kommt es nicht an (Aufgabe der im BFH-Urteil vom 07.05.1987, IV R 33/85, BFH/NV 1987, 775 vertretenen Auffassung).

 

Normenkette

§ 173 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 1 AO

 

Sachverhalt

Eine GbR beantragte nach Vorliegen eines bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheids eine geänderte Verteilung der Einkünfte. Das FA lehnte den Antrag ab, weil das nachträgliche Bekanntwerden der Gewinnverteilungsabrede auf grobem Verschulden beruhe.

Das FG gab der Klage statt, weil es von einer rechtzeitigen Erklärung der Gewinnverteilungsabrede ausging (FG Düsseldorf, Urteil vom 21.06.2006, 2 K 5194/03 F, Haufe-Index 1644184, EFG 2007, 7).

 

Entscheidung

Die Revision des FA wies der BFH zurück. Auch wenn die Erklärung verspätet erfolgt sei, lägen die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht vor.

 

Hinweis

1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kann ein Bescheid aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen zugunsten des Steuerpflichtigen nur geändert werden, wenn diesen kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden trifft. Änderungen zulasten des Steuerpflichtigen sind demgegenüber ohne weitere Voraussetzungen möglich.

2. Liegen die Voraussetzungen eines nachträglichen Bekanntwerdens in Bezug auf die Verteilung des Gewinns einer Personengesellschaft vor, ergibt sich zwangsläufig, dass einem Gesellschafter ein höherer und einem anderen Gesellschafter ein niedrigerer Gewinn zuzurechnen ist. Trifft die Gesellschafter ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden, könnte bei wörtlicher Anwendung des § 173 AO die Verteilung der unveränderten Einkünfte nur teilweise korrigiert werden, nämlich in Bezug auf den Gesellschafter, dem ein höherer Gewinnanteil zugewiesen wird. Es würde damit der Erhöhungsbetrag doppelt erfasst.

Dies widerspricht dem in § 174 AO erkennbaren Ziel der AO,widerstreitende Steuerfestsetzungen zu vermeiden. Deshalb entscheidet der BFH nun, dass es auf ein grobes Verschulden für den begünstigten Gesellschafter nicht ankommt, wenn die Herabsetzung des Gewinnanteils das Gegenstück zur Erhöhung des Gewinnanteils des anderen Gesellschafters ist.

3. Genau genommen misst § 173 AO die Wirkung der Änderung an der höheren oder niedrigeren Steuer. Bei Gewinnfeststellungsbescheiden wird nur eine Besteuerungsgrundlage und nicht die Steuer festgesetzt. Man könnte zwar im Einzelfall aufklären, welche Steuerfolgen sich aus der Änderung des Feststellungsbescheids bei den Feststellungsbeteiligten ergeben. Dies würde das Verfahren bei dem für die Feststellung zuständigen FA aber wesentlich erschweren. Die Steuerfolgen sind auch sonst im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich ohne Bedeutung. So wird etwa für den gerichtlichen Streitwert nicht auf die tatsächliche Steuerfolge, sondern auf eine typisierte Folge abgestellt.

Vor diesem Hintergrund ist nach Meinung des BFH bei Anwendung des § 173 AO nicht auf die Änderung der Folgebescheide abzustellen, sondern auf die Änderung der zuzurechnenden Einkünfte. Ungeachtet der konkreten Steuerfolge wirkt eine Gewinnfeststellung deshalb zugunsten oder zuungunsten eines Steuerpflichtigen, wenn sich sein Gewinnanteil verringert oder erhöht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.06.2009 – IV R 55/06

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge