Leitsatz

1. Die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kfz-Steuer ist auch dann Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn die Steuerpflicht noch andauert, obschon der Insolvenzverwalter keine Kenntnis von der Existenz des Fahrzeugs hat (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 29.08.2007, IX R 4/07).

2. Auch wenn der Insolvenzverwalter die Unzulänglichkeit der Masse nach § 210 InsO anzeigt, ist das FA nicht daran gehindert, ihm gegenüber nach Insolvenzeröffnung entstehende Kfz-Steuer durch Steuerbescheid festzusetzen.

 

Normenkette

§ 251 Abs. 2 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Nr. 1 KraftStG, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 209, § 210 InsO

 

Sachverhalt

Auf eine GmbH waren bis zur verkehrsrechtlichen Abmeldung (2004) zwei Anhänger mit den amtlichen Kennzeichen X und Y zugelassen. Über das Vermögen der GmbH wurde durch Beschluss des Amtsgerichts im Jahr 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger zeigte im März 2003 dem Insolvenzgericht die Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse an. Das Gericht machte diese Anzeige öffentlich bekannt.

Das FA setzte gegenüber dem Kläger ab Insolvenzeröffnung für beide Anhänger die Kfz-Steuer auch für die Zeit nach Insolvenzeröffnung fest. Hiergegen wandte sich der Kläger. Er habe in seiner Person den Steuertatbestand nicht verwirklicht; er habe die Fahrzeuge nicht in Gebrauch genommen und von ihrer Existenz erst durch Schriftwechsel mit einer anderen Firma erfahren. Überdies dürfe das FA die Steuer nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht mehr festsetzen. Die Klage blieb erfolglos (EFG 2006, 1704). Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH hat das FG zu Recht das FA als befugt angesehen, den Kläger für die ab Insolvenzeröffnung bis zur verkehrsrechtlichen Abmeldung der Anhänger entstandene Kfz-Steuer durch die angefochtenen Kfz-Steuerbescheide in Anspruch zu nehmen, weil sich das für solche Bescheide bestehende insolvenzrechtliche Vollstreckungsverbot nicht auf die Pflicht zur Festsetzung der Steuer erstrecke.

Aufgrund dieser abgabenrechtlichen Trennung von Festsetzungs- und Erhebungsverfahren sei der Streit im zivilprozessualen Schrifttum, in welcher Weise sich das Vollstreckungsverbot auswirke und ob der Altmassegläubiger zum Feststellungsantrag übergehen müsse, unerheblich (vgl. Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 210 Rz. 6).

 

Hinweis

1. Die Kfz-Steuer entsteht auch für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Steuerpflicht dauert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG bei – wie hier – inländischen Fahrzeugen, solange sie zum Verkehr zugelassen sind; Steuerschuldner ist die Person, für die die Fahrzeuge zum Verkehr zugelassen sind (§ 7 Nr. 1 KraftStG) mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter des Steuerschuldners nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO die Steuer aus der Insolvenzmasse bezahlen muss.

Nach der zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidung des BFH in der Sache IX R 4/07 (BFH-PR 2008, 82) ist die nach der Insolvenzeröffnung entstandene Kfz-Steuer auch dann Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn sich das Kfz nicht mehr im Besitz des Schuldners befindet, die Steuerpflicht aber noch andauert. Denn nach der BFH-Entscheidung vom 18.12.1953, II 190/52 U (BStBl III 1954, 49) ist dem Gesetz die rechtlich unwiderlegliche Vermutung zu entnehmen, dass das Fahrzeug von demjenigen, für den es zugelassen ist, bis zur Außerbetriebsetzung gehalten wird.

Das unwiderlegbar rechtsvermutete Halten führt zu einer gesetzlich unterstellten Verwendungsmöglichkeit und Verfügungsgewalt "im Geschäft" des Schuldners und damit im Rahmen der Insolvenzmasse. Da es mithin nicht auf die tatsächliche Verfügungsgewalt des Insolvenzverwalters ankommt, ist auch unerheblich, ob er Kenntnis von der Existenz der Fahrzeuge hat.

2. Selbst die Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter hindert die Festsetzung der Kfz-Steuer nicht. Das FA muss die nach Insolvenzeröffnung entstehende Kfz-Steuer gegenüber dem Insolvenzverwalter festsetzen (vgl. BFH, Urteil vom 16.11.2004, VII R 62/03, BFH-PR 2005, 158), selbst wenn diese Masseverbindlichkeiten nach § 210 InsO nicht vollstreckt werden darf. Diese Vorschrift stellt lediglich ein Vollsteckungsverbot für Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf, sobald der Insolvenzverwalter – wie hier – die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, lässt aber die sich aus § 12 KraftStG, § 155 Abs. 1 AO ergebende Verpflichtung des FA unberührt, die Kfz-Steuer durch einen Steuerbescheid festzusetzen. Das bei angezeigter Masseunzulänglichkeit bestehende Vollstreckungsverbot (§ 210 InsO) schränkt i.V.m. § 251 Abs. 2 AO demgegenüber ausschließlich die Befugnis des FA ein, den Verwaltungsakt zu vollstrecken, nicht aber, ihn zu erlassen (vgl. BFH, Beschluss vom 11.04.2001, VII B 304/00, BFH-PR 2001, 318).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.08.2007, IX R 58/06

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