Leitsatz

1. Landwirtsehegatten, die im Güterstand der Gütergemeinschaft leben, bewirtschaften ihren Hof als Mitunternehmer. Sie haben im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG selbst dann eine Gesellschaftsbilanz vorzulegen, wenn es sich um einen Fall von geringer Bedeutung i.S.d. § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO handelt.

2. Haben die Ehegatten unter Verkennung der Mitunternehmerschaft eine Bilanz für ein Einzelunternehmen vorgelegt, so ist die Inanspruchnahme der Reinvestitionsvergünstigung des § 6b EStG in der Mitunternehmerbilanz keine Bilanzänderung i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1, § 13 Abs. 5, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 180 Abs. 3 Satz 2 AO

 

Sachverhalt

Landwirtsehegatten, die im Güterstand der Gütergemeinschaft lebten und ihren Hof gemeinsam bewirtschafteten, hatten ein Grundstück zum Zweck der Auskiesung veräußert. Nach einer Betriebsprüfung bestand Streit über die zeitliche Zuordnung des Gewinns aus der Veräußerung der Ackerkrume. Der Ehemann hatte den Gewinn in der von ihm allein aufgestellten Bilanz für das streitige Wirtschaftsjahr nicht erfasst.

Das FA war anderer Meinung und wollte den Gewinn in einem entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid berücksichtigen. Nach Erhalt des Prüfungsberichts beantragte der Ehemann, den Gewinn in eine Rücklage nach § 6b EStG einzustellen.

Dies hielt das FA für eine unzulässige Bilanzänderung und erließ wie geplant einen geänderten Einkommensteuerbescheid.

Das FG sah die Bilanzänderung als zulässig an und gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Die dagegen gerichtete Revision des FA hatte zwar formal, aber nicht in Bezug auf die Zulässigkeit der Bilanzänderung Erfolg. Die Beteiligten und das FG hätten übersehen, dass die Eheleute Mitunternehmer gewesen seien und eine gemeinschaftliche Bilanz hätten aufstellen müssen. Dies sei nachzuholen.

Die Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG stelle sich dabei nicht als Bilanzänderung dar.

Im Übrigen komme die Berücksichtigung des Gewinns in der Einkommensteuerveranlagung nur in Betracht, wenn wegen geringfügiger Bedeutung i.S.d. § 180 Abs. 3 Satz 2 AO keine gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns erforderlich sei. Anderenfalls sei das Verfahren bis zur Bestandskraft der Gewinnfeststellung auszusetzen.

 

Hinweis

1. Nach der Rechtsprechung des BFH sind Mitunternehmerschaften nicht nur die in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Gesellschaften, sondern auch andere vergleichbare Gemeinschaftsverhältnisse. Zu diesen zählt auch die Gütergemeinschaft, wenn das Gesamtgut wesentliche Betriebsgrundlage ist und beide Ehegatten Mitunternehmerinitiative entfalten. Gehören die Grundstücke von Landwirtsehegatten zum Gesamtgut und tragen beide Ehegatten zur Bewirtschaftung bei, sind die Ehegatten danach Mitunternehmer. Eine gemeinsame Bewirtschaftung wird dabei auch angenommen, wenn ein Ehegatte keine eigentlich landwirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt, sondern nur reine Büroarbeiten übernimmt.

Wie bei jeder Mitunternehmerschaft müssen die Einkünfte grundsätzlich auch dann gesondert und einheitlich festgestellt werden, wenn die Mitunternehmerschaft nur aus den Ehegatten besteht. Eine Ausnahme gilt lediglich, wenn ein Fall geringer Bedeutung i.S.d. § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegt. Dann wären die Einkünfte der Ehegatten unmittelbar im Einkommensteuerbescheid zu erfassen. Im Besprechungsfall hat der BFH zu den Voraussetzungen für einen Fall geringer Bedeutung nicht Stellung genommen, weil das FG das Problem übersehen und deshalb keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen hatte.

2. Auf die eigentlich zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die nachträgliche Bildung einer Rücklage gem. § 6b EStG eine nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG unzulässige Bilanzänderung ist, kam es für den BFH nicht an. Denn die Bilanz war allein vom Ehemann aufgestellt worden, musste aber wegen ihrer Mitunternehmerstellung von den Ehegatten gemeinschaftlich aufgestellt werden. In einer nun gemeinschaftlich aufgestellten Bilanz könnte das Wahlrecht zur Bildung einer 6b-Rücklage sogleich ausgeübt werden. Eine Bilanzänderung läge dann nicht vor.

Beachten Sie, dass bisher noch immer nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob die Beschränkungen der Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 zulässig waren und inwieweit sie auch für vor 1999 abgegebenen Bilanzen gelten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.8.2005, IV R 37/04

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