Darüber hinaus zeugt es von dem großen Missverständnis, Planung und Prognose gleichzusetzen. Planung ist eine Festlegung auf Ziele und eine Festlegung, mit welchen Maßnahmen (innerhalb der Strategie) man das Ziel erreichen will. Es lässt sich mit der Heirat vergleichen. Man wird gefragt, ob man will und man antwortet: "Ich will (ein Leben lang mit Dir zusammen leben)." und nicht: "Ich werde". Über diesen Unterschied und die nötigen Maßnahmen könnte man philosophieren.

Prognosen, z. B. bzgl. Zinsen, Bevölkerung oder Wetter, ist demgegenüber gemeinsam, dass sie vom Hörer nicht beeinflusst werden können. Sie bilden lediglich die Basis für die Planung, z. B. einen Regenschirm mitzunehmen. Angesichts der Diskussion um die Genauigkeit von Prognosen kann man sich selber fragen: Glaubt man eher der 3-Tages-Wetterprognose im Fernsehen oder der 30-Jahres-Bevölkerungsprognose?

Die Aussagen über die nahe und ferne Zukunft sind vom Typ her nicht vergleichbar. Die Qualität dagegen ist es schon.

 
Praxis-Beispiel

Bevölkerungsprognose

Mancher erinnert sich noch, wie vor wenigen Jahren der Anstieg der Geburtenrate von 1,34 auf 1,35 Kinder pro Frau als Erfolg verkündet wurde – inklusive der anschließenden öffentlichen Diskussion. Schöner kann eine Gesellschaft nicht zeigen, dass sie an einem weitgehenden Verlust des Realitätsbezugs leidet. Die sog. "natürliche Reproduktionsrate" liegt – wenig überraschend – bei mindestens 2,1. Interessant, was man damals so alles diskutiert hat. Relevant für die Zukunftsprognose "Überalterung der Gesellschaft (mit allen Folgeeffekten)" war das meiste davon nicht.

Allerdings wird Wissen über die Zukunft in vielen Firmen genauso erfolgreich ignoriert wie von der Gesellschaft. Führen wir das Beispiel einfach fort.

 
Praxis-Beispiel

Seniorenwindeln statt Babywindeln?

Als Hersteller von Babywindeln wird man sich vermutlich fragen, wie das Geschäft in 20 Jahren aussehen soll. Als ein Idee für den Businessplan könnten "Seniorenwindeln" (Altersinkontinenz) dienen. Sollte der Windelhersteller in 20 Jahren davon leben wollen, dann könnte das Ziel lauten, in 20 Jahren 80 % des Umsatzes mit "Seniorenwindeln" zu tätigen. Das verlangt, vereinfacht gerechnet, dass es in 15 Jahren bereits 60 % sind, usw. Mit anderen Worten: Am Ende unserer Mifri von vielleicht 5 Jahren muss der Umsatzanteil 20 % betragen.

Die Rechnung aus dem Jahr 2033 zurück auf 2013, den Planungszeitpunkt, macht die Strategie mess- und umsetzbar. Die scheinbar ferne Zukunft ist in der Gegenwart angekommen.

Allerdings wird der Leitstern aus der Imagebroschüre schnell als störender Sand im Getriebe empfunden. Können Sie sich vorstellen, auf der Außendienstkonferenz dieser Firma den Vertrieb von "Seniorenwindeln" zu fordern? Die Gesichter der ADler kann man sich vorstellen und ihre Gedanken wohl auch:

  • "Dann bin ich längst in Rente!"
  • "Wo verkauft sich das?"
  • "Kalt-Akquise im Sanitätshaus – na prima."

Abb. 7: Langfristige Entwicklung des Umsatzanteils

Man ahnt, wie intensiv dieses Ziel verfolgt wird - sofern es eine solche Zielvorgabe überhaupt geben sollte. So mancher Vorstand ist in 20 Jahren ebenfalls in Rente und fragt sich:

  • Lohnt sich der Stress mit dem Außendienst?
  • Soll man einen Bonus für Seniorenwindeln einführen?
  • Eigentlich müsste man zugleich versuchen, den Bonus für Babywindeln zu kürzen. Doch ist dann Streit nicht erst recht vorprogrammiert.
  • Wird der Vorstand heute Geldern für Forschung, für Marketing oder für eine Investition in neue Maschinen zustimmen, weil die Firma in 20 Jahren auf diesen Markt angewiesen ist?

Verfehlt der Vorstand die Vorgaben der Anteilseigner, dann geht er nicht erst in 20 Jahren in Rente gehen. Schließlich sind Vorstandsverträge i. d. R. über 3 Jahre abgeschlossen. Man braucht sich nicht zu wundern, wenn die Amortisationsdauer von Investitionen branchenübergreifend nicht selten auf 3 Jahre festgesetzt wird.

Chefsache!

Damit wären wir wieder am Anfang angekommen: Strategie ist Chefsache.

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