Leitsatz

1. Zur Anwendbarkeit von § 42 AO im Mehrwertsteuerrecht.

2. Schaltet ein Kreditinstitut bei der Erstellung eines Betriebsgebäudes eine Personengesellschaft vor, die das Gebäude errichtet und anschließend unter Verzicht auf die Steuerfreiheit an das Kreditinstitut vermietet, kann darin ein Rechtsmissbrauch vorliegen, der bei der Personengesellschaft zur Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Herstellungskosten des Gebäudes führt.

3. Die Gestaltung kann aber auch durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe gerechtfertigt sein. Ertragsteuerliche Gründe gehören nicht dazu.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a, § 9 Abs. 2, § 15, § 15a, § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG, Art. 17, 20, 27 der 6. EG-RL, § 42 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Personengesellschaft (Gesellschafter: Bank und deren Tochtergesellschaft), errichtete auf von der Bank erworbenem Grundstück ein von dieser geplantes Gebäude und vermietete dieses für 10 Jahre und 3 Monate – steuerpflichtig – an die Bank. Die Klägerin verwirklichte nur dieses eine Bauvorhaben. Die Gesellschafter hatten die Klägerin mit den notwendigen Geldmitteln ausgestattet, die aus Rücklagen nach § 6b EStG herrührten.

FA und FG sahen hierin eine missbräuchliche Gestaltung i.S.d. § 42 AO.

 

Entscheidung

Die Revision der Bank hatte keinen Erfolg. Den Hinweis der Klägerin auf § 12 KWG ließ der BFH – als verspätet – unbeachtet. Im Einzelfall kann zwar ein beachtlicher außersteuerlicher Grund vorliegen, wenn die gewählte Gestaltung die Gefahr vermeiden soll, dass die nach Buchwerten berechneten dauernden Anlagen (z.B. bebaute Grundstücke) eines Kreditinstituts das haftende Eigenkapital übersteigen und eine Ausnahmegenehmigung nach § 12 Abs. 3 KWG nicht erreichbar ist. Dass dies ein Grund gewesen sein könnte, war schon deshalb zu verneinen, weil die Klägerin diesen Punkt erstmals im Revisionsverfahren erwähnt hatte.

 

Hinweis

Es geht um die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Errichtung eines Betriebsgebäudes für eine Bank durch eine Personengesellschaft, an der die Bank und deren Tochtergesellschaft als Gesellschafter beteiligt sind.

1. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 der 6. EG-RL kann der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser RL abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um u.a. Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern. § 42 AO stellt keine Sondermaßnahme i.S.d. Art. 27 der 6. EG-RL dar. Die Vorschrift normiert vielmehr einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der nach der Rechtsprechung des EuGH auch im Mehrwertsteuerrecht gilt. Danach ist die 6. EG-RL dahin auszulegen, dass sie dem Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug entgegensteht, wenn die Umsätze, die dieses Recht begründen, eine "missbräuchliche Praxis" darstellen (vgl. EuGH, Urteil "Halifax" – in BFH-PR 2006, 206 – Rd.Nr. 61 ff., 85). Der z.T. in der Literatur vertretenen Auffassung, § 42 AO sei im Umsatzsteuerrecht nicht anwendbar, oder, die Rechtsprechung dazu müsse "verprobt" werden, hat der BFH eine eindeutige Absage erteilt.

2.§ 15a UStG ist keine "Missbrauchsbekämpfungsvorschrift". § 15a UStG und die Begrenzung des Vorsteuerabzugs wegen Rechtsmissbrauchs stehen nebeneinander; davon geht im Übrigen auch die Rechtsprechung des EuGH aus.

3. Der BFH hat bereits mehrfach die Frage entschieden, ob Unternehmen, die wegen ihrer steuerfreien Umsätze nicht zum Vorsteuerabzug aus Investitionen berechtigt sind (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG), diesen Vorsteuerabzug dadurch erreichen können, dass sie – z.B. zur Errichtung von Betriebsgebäuden – von ihnen beherrschte Gesellschaften "vorschalten". Nach dieser Rechtsprechung kann ein Rechtsmissbrauch i.S.d. § 42 AO dann vorliegen, wenn ein Kreditinstitut bei der Erstellung eines Betriebsgebäudes eine Gesellschaft "vorschaltet", die das Gebäude errichtet und anschließend unter Verzicht auf die Steuerfreiheit an das Kreditinstitut vermietet. Über die Vorschaltung einer Gesellschaft wird ein Umweg gewählt, wenn der Mieter-Gesellschafter, der einen Gegenstand für sein Unternehmen benötigt, die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel seiner Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung stellt, um ihn an diesen Gesellschafter zu vermieten. Dieser Umweg kann unangemessen sein, weil verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären. Er kann aber auch durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe gerechtfertigt sein. Bei diesen Kriterien bleibt es.

Ertragsteuerliche Vorteile – so auch bereits der EuGH – sind kein Rechtfertigungsgrund.

Es kommt deshalb (nur) darauf an,

  • ob die fraglichen Umsätze "eine andere Erklärung haben können als nur die Erlangung von Steuervorteilen" (vgl. EuGH, Urteil Halifax – BFH-PR 2006, 206 – Rd.Nr. 75), die dem Ziel der entsprechenden Regelung zuwiderläuft.
  • Dies muss (nur) anhand objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein.

Der Nachweis, ob letzteres der Fall ist, obliegt dem Steuerpflich...

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