Leitsatz

Der Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 UStG 1993 (Mindestbemessungsgrundlage) steht nicht entgegen, dass über eine ordnungsgemäß durchgeführte Lieferung an einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer abgerechnet wird.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 4 Nr. 2 und Abs. 5 Nr. 1 UStG 1993

 

Sachverhalt

Die Klägerin veräußerte 1995 das von ihr zuvor mit einem Geschäftshaus bebaute Grundstück an eine GbR, deren Gesellschafter zugleich die Gesellschafter der alleinigen Kommanditistin der Klägerin waren. Die Vertragsparteien setzten in dem Kaufvertrag als Kaufpreisanteil für das Gebäude die Herstellungskos­ten vermindert um einen der Klägerin gewährten Investitionszuschuss zuzüglich USt an.

Das FA setzte als Mindestbemessungsgrundlage die Kos­ten an. Das FG meinte, für die Mindestbemessungsgrundlage sei kein Raum bei ohnehin vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern als Abnehmer (EFG 2005, 822).

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte Erfolg; die Gründe ergeben sich ohne Weiteres aus den Praxis-Hinweisen.

Die Klägerin hatte unglücklicherweise -- um der Leistungsempfängerin wenigstens gleich den höheren Vorsteuerabzug zu ermöglichen -- eine Rechnung über den vom FA für richtig befundenen Betrag ausgestellt. Diese zu Unrecht -- wie sie ja selbst beansprucht und der BFH nun bestätigt hat -- ausgewiesene höhere USt schuldete sie nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1993. Entstehungszeitpunkt dieser Mehrsteuer ist aber nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1993 der Leistungszeitpunkt, nicht der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung. Der Sieg der Klägerin ist deshalb nicht -- wie sonst -- mit einem Zinsvorteil, sondern wegen der von ihr selbst geänderten Rechnung mit einem Zinsnachteil verbunden. Dass der BFH die durch die Rechnung nicht mehr entscheidungserhebliche Rechtsfrage dennoch angesprochen hat, ist dem Aspekt der Rechtsfortbildung zu verdanken.

 

Hinweis

1. Die Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 UStG 1993 ist eine zulässige Sondermaßnahme i.S.d. Art. 27 der 6. EG-RL. Die Vorschrift darf nach dem EuGH-Urteil "Skripalle" aber nur angewandt werden, soweit es zur Verhütung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen unbedingt erforderlich ist; als bloße Vereinfachungsregelung für die Steuererhebung darf die Vorschrift nicht herangezogen werden.

2. Die Gefahr von Steuerhinterziehungen und -umgehungen besteht bei Rechtsgeschäften zwischen nahe stehenden Personen auch dann, wenn sie Vorsteuerabzug nach § 15 UStG 1993 vollumfänglich in Anspruch nehmen können. Wäre die Mindestbemessungsgrundlage -- wie das FG meinte -- aufgrund der Berechtigung des Leistungsempfängers zum Vorsteuerabzug nicht anwendbar, würden ggf. Berichtigungen nach § 15a UStG auf der Grundlage eines Vorsteuerbetrags vorgenommen, der auf einem verbilligten Entgelt beruht. Hieraus ergibt sich die Gefahr von Steuerumgehungen.

3. Auch bei nahestehende Personen besteht jedoch keine Gefahr einer Steuerumgehung, wenn sie für die zwischen ihnen erbrachte Leis­tung ein marktübliches Entgelt vereinbart haben. Das ist stets zu prüfen, bevor das FA auf die Mindestbemessungsgrundlage rekurrieren kann. Nach Abschn. 158 Abs. 1 Satz 5 UStR sind zwar die Kos­ten auch dann anzusetzen, wenn diese höher sind als das marktübliche Entgelt. Das ist mit Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.01.2008, V R 39/06

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