Leitsatz

§ 50c EStG a.F. verstößt dann nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn dem Steuerpflichtigen, der Anteile an einer inländischen Körperschaft von einem Nichtanrechnungsberechtigten erwarb, durch geltungserhaltende Reduktion des Wortlauts des § 50c Abs. 4 S. 1 EStG die Möglichkeit eingeräumt wird, den Nachweis zu erbringen, dass seine Anschaffungskosten für die Anteile keine Abgeltung von Körperschaftsteuerguthaben an den Nichtanrechnungsberechtigten mit einschlossen, und auch sonst nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung auszugehen ist. Von die Anwendung des § 50c Abs. 1 EStG rechtfertigenden missbräuchlichen Gestaltungen kann nicht bereits deshalb ausgegangen werden, weil dem deutschen Fiskus damit die Möglichkeit entzogen wurde, erwirtschaftete stillen Reserven (zumindest) einmal besteuern zu können.

 

Sachverhalt

Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtszug, nachdem der BFH am 3.2.2010 nach der Entscheidung des EuGH v. 17.9.2009 "Glaxo Wellcome" das Urteil des erkennenden Senats vom 10.2.2006 aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen hatte. Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, ist zum 1.7.1995 durch eine formwechselnde Umwandlung der GW GmbH entstanden. Am 26.6.1995 erwarb die GV GmbH, die bereits 95 % der Anteile an einer G GmbH besaß, von ihrer englischen Muttergesellschaft, der GG Ltd., die restlichen 5 % der Anteile an der G GmbH. Am 27.6.1995 und am 7.7.1995 erwarb die G GmbH sämtliche Anteile an der W GmbH, und zwar von der GG Ltd. 99,98 % und von der ebenfalls englischen Ltd. 0,02 % der Anteile. Durch Verschmelzungsvertrag vom 25.8.1995 wurde die W GmbH auf ihre alleinige Gesellschafterin verschmolzen (unter Umbenennung des Namens von G GmbH in GW GmbH). Die Umwandlung der GW GmbH in die Klägerin erfolgte steuerlich zu Buchwerten. Die Klägerin berechnete einen Übernahmeverlust unter Ansatz eines Sperrbetrags nach § 50c EStG aufgrund des Erwerbs des 5 %-igen Anteils an der GW GmbH von der GG Ltd. Im vorliegenden Fall gilt es zu klären, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin mit dem Kaufpreis für die Anteile den in England ansässigen und deshalb nicht anrechnungsberechtigten Anteilsverkäuferinnen KSt-Guthaben der W GmbH abgegolten hat. Die Klägerin wurde aufgefordert nachzuweisen, dass weder die Anschaffungskosten für die Anteile an der W GmbH noch die der GV GmbH für die Anteile an der Klägerin eine Abgeltung des KSt-Guthabens an die ausländischen Anteilsverkäufer eingeschlossen haben. Die Klägerin führte hierzu aus, dass bei der G GmbH kein KSt-Guthaben vorhanden gewesen sei und Steuerguthaben bei der Umstrukturierung keine Rolle gespielt hätten. Das FA beantragt, die Klage abzuweisen, da der Nachweis nicht erbracht worden sei.

 

Entscheidung

Die Klage ist begründet. Weder die von der Klägerin gehaltenen Anteile an der W GmbH (99,98 % sowie 0,02 %) noch die von der GV GmbH von der GG Ltd. hinzuerworbenen Anteile an der Klägerin (5 %) unterlagen § 50c EStG. Nach der Entscheidung des EuGH v. 17.9.2009 verstößt § 50c EStG a.F. dann nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn dem Steuerpflichtigen, der Anteile an einer inländischen Körperschaft von einem Nichtanrechnungsberechtigten erwarb, durch geltungserhaltende Reduktion des Wortlauts des § 50c Abs. 4 Satz 1 EStG die Möglichkeit eingeräumt wird, den Nachweis zu erbringen, dass seine Anschaffungskosten für die Anteile keine Abgeltung von KSt-Guthaben an den Nichtanrechnungsberechtigten mit einschlossen, und auch sonst nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung auszugehen ist. Dieser Nachweis wurde vorliegend erbracht, da bei den betreffenden Gesellschaften entweder kein Anrechnungsguthaben vorhanden gewesen sei oder dieses - aufgrund der relativ geringen Höhe - nicht gesondert vergütet wurde. Bzgl. des Erwerb des 99,98 %-igen Anteils an der W GmbH und die nachfolgenden Umwandlungen kann nach Auffassung des Senats auch nicht von die Anwendung des § 50c Abs. 1 EStG rechtfertigenden missbräuchlichen Gestaltungen ausgegangen werden. Dass dem deutschen Fiskus damit die Möglichkeit entzogen wurde, die von der W GmbH erwirtschafteten stillen Reserven bei dieser (zumindest) einmal besteuern zu können, steht dem nicht entgegen. Ob eine Gestaltung darauf ausgerichtet ist, durch grenzüberschreitende Gestaltung einen ungerechtfertigten Steuervorteil zu erlangen, kann nach Auffassung des Senats nicht nur aus der Sicht eines der beteiligten Staaten beurteilt werden. Erforderlich ist vielmehr eine steuerliche Gesamtschau, welche die gesamte Steuerbelastung des Betreffenden berücksichtigt.

 

Hinweis

Der vorliegende Fall stammt aus den Zeiten des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens, welches bis 2000 in Deutschland galt und anschließend durch das Halbeinkünfteverfahren abgelöst wurde. Die Klägerin hat - bewusst oder unbewusst - zeitnah zum Erwerb von Anteilen an einer inländischen Körperschaft von einem Ausländer ein Doppelumwandlungsmodell realisiert; allerdings ist der Nachweis geglückt, dass bei den Anschaffungskosten für di...

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