OFD Karlsruhe, Verfügung v. 25.8.2004, S 7200 - Karte 2

Es wurde die Frage gestellt, wie Pfandgelder bei vermieteten Mehrwegsteigen zwischen Systemanbieter (Vermieter) und Erzeuger (Mieter) umsatzsteuerlich zu behandeln sind. Hierzu wurde folgender Sachverhalt vorgetragen:

Eine Erzeugerorganisation (Mieter) mietet Mehrwegsteigen von einem Mehrwegsystembetreiber (Vermieter). Der Mieter erhält gegen Zahlung eines Entgeltes das Nutzungsrecht an den Steigen nach Maßgabe der Mietbedingungen. Eigentümer der Steigen bleibt der Vermieter.

Neben dem eigentlichen Nutzungsentgelt hat der Mieter einen Pfandbetrag an den Vermieter zu zahlen. Dieser Pfandbetrag wird bei Weitergabe an den Lebensmittel-Einzelhandel weiterberechnet und bei der Rückgabe an den Betreiber erstattet.

Nach dem Ergebnis der Erörterungen der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder gilt Folgendes:

Die Überlassung der Mehrwegsteigen durch den Mehrwegsystembetreiber an die Erzeugerorganisation ist als Verschaffung der Verfügungsmacht i.S. von § 3 Abs. 1 UStG anzusehen.

Zwar wird hier vertraglich ein mietähnliches Verhältnis vereinbart. Ausweislich der Nutzungsbedingungen des Mehrwegsystembetreibers sollen die Mehrwegsteigen allerdings „frei zirkulieren können”. Wohl deshalb wird den Mehrwegsteigenbenutzern auch „Verfügungsberechtigung” eingeräumt. Die Eigentumsvorbehaltsklausel besteht insoweit nur deklaratorisch. Ein dinglicher Herausgabeanspruch besteht nicht. Es ergibt sich aus den Bedingungen nicht, dass die Mehrwegsteigenbenutzer verpflichtet seien, die konkret überlassenen Mehrwegsteigen zurückzugeben. Vielmehr erfolgt eine Überwachung und Rückgabeverpflichtung nur bezogen auf die Anzahl eines bestimmten Steigentyps. Dies ist letztendlich auch Zweck des Systems, bei dem die Mehrwegsteigen durch den Einzelhändler und nicht durch die Erzeugerorganisation an den Mehrwegsystembetreiber zurückgegeben werden sollen. Daraus erfolgt, dass der Mieter der Mehrwegsteigen, also die Erzeugerorganisation, die tatsächliche Sachherrschaft über die Mehrwegsteigen erhält und dies im Ergebnis von den Beteiligten auch so gewollt ist.

Die in der Anfrage vertretene Auffassung, dass die Zahlung des Pfandgeldes ausschließlich zur Sicherung des Rückgabeanspruchs geleistet wird, wird nicht geteilt. Da die Sicherungsleistungen regelmäßig nach dem Wert der Warenumschließung festgelegt werden, dürfte es sich auch hier – unabhängig vom Vertragstext – nicht um die Vermeidung künftiger Schadensfälle handeln, sondern um den sofortigen und völligen Ausgleich eines möglichen Verlustes. Aus der Verknüpfung der Überlassung des Leerguts gegen die „Sicherheitsleistung” folgt auch, dass die „Sicherheitsleistung” Gegenleistung für die Lieferung des Leerguts war. Aus diesem Grund scheidet die Annahme einer nicht steuerbaren Lieferung oder sonstigen Leistung aus.

Der BFH hat im Urteil vom 7.5.1987, BStBl 1987 II S. 582 eine wirtschaftliche Betrachtung vorgenommen und hinsichtlich der Pfandgebinde eine entgeltliche Lieferung angenommen. Danach soll trotz zivilrechtlichem Ausschluss des Eigentumsüberganges gleichwohl umsatzsteuerrechtlich von einer Verschaffung der Verfügungsmacht an den Gebinden ausgegangen werden, soweit an den Wiederbeschaffungskosten der Gebinde orientierte „Sicherheitsleistungen” erhoben werden und der Warenweg praktisch die Unverfolgbarkeit der Gebinde mit sich bringt.

Die individuelle Verfolgbarkeit ist nicht möglich, da trotz der Dokumentationspflicht in den Nutzungsbedingungen im praktischen Warenverkehr die Verfolgbarkeit bei der Einschaltung mehrerer Handelsstufen faktisch nicht zu gewährleisten ist. Nach den getroffenen Regelungen sind nur Anzahl und Typ der Steigen festzuhalten. Wäre die Verfolgbarkeit stets gegeben, würde eine Pfandregelung überflüssig sein. Insofern sind ähnliche Bedingungen anzunehmen, wie sie auch der BFH in seinem Urteilsfall vorgefunden hat. Beiden Sachverhalten ist gemeinsam, dass nicht verfolgbar ist, in welcher Einsatzstation die einzelnen Gebinde beschädigt oder zerstört werden.

Das Pfandgeld ist damit neben dem Nutzungsentgelt (Miete) Entgelt für die Lieferung der Mehrwegsteigen (vgl. § 10 Abs. 1 UStG).

Demnach ist die Rückgabe der Mehrwegsteigen umsatzsteuerrechtlich als Rücklieferung zu beurteilen. Insbesondere bleibt kein Raum, das nicht zurückgegebene Pfand als echten Schadensersatz zu behandeln.

Die umsatzsteuerrechtliche Würdigung der Leistungsbeziehung zwischen Mehrwegsystembetreiber und Erzeugerorganisation hat keinen Einfluss auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Leistungsbeziehung zwischen der Erzeugerorganisation und dem Handel.

Die Weiterlieferung der – mit Waren gefüllten – Mehrwegsteigen von der Erzeugerorganisation an die Einzelhändler ist eine einheitliche Warenlieferung. Die Lieferung des Pfandgutes ist als Warenumschließung unselbständige Nebenleistung zur Lieferung von Obst und Gemüse (vgl. Abschn. 149 Abs. 8 UStR).

Eine von den o.g. Grundsätzen abweichende umsatzsteuerrechtliche Würdigung bis zum 30.6.2004...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge