Leitsatz

Das FA kann auch dann "nachträglich" i.S.v. § 50 Abs. 5 S. 4 Nr. 1 EStG 1997/§ 50 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 EStG 1997 i.d.F. des StSenkG feststellen, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten ESt-Pflicht nach § 1 Abs. 3 EStG 1997 nicht vorgelegen haben, wenn es dies bereits bei Erteilung der Bescheinigung hätte bemerken können. Auch bei einer fehlerhaft erteilten Bescheinigung nach § 39c Abs. 4 EStG 1997 kann das FA die zu wenig erhobene LSt nachfordern.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3, § 39c Abs. 4, § 50 Abs. 5 S. 4 Nr. 1 EStG 1997, § 50 Abs. 5 S. 1 und S. 2 Nr. 1 EStG 1997 i.d.F. des StSenkG

 

Sachverhalt

Der Kläger und seine Ehefrau haben ihren Wohnsitz in den Niederlanden. Der Kläger war in den Streitjahren 1998 bis 2001 im Inland mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden als Controller beschäftigt. In gleichem Umfang war er in dieser Funktion in den Niederlanden tätig. Seine daraus erzielten Einkünfte waren hier wie dort in etwa gleich hoch.

Das FA erteilte für die Streitjahre Bescheinigungen gem. § 39c Abs. 4 EStG 1997. In seinen Anträgen auf Erteilung einer Bescheinigung für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer aus den Niederlanden (1998) bzw. auf Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3, § 1a EStG 1997 (1999 bis 2001) hatte der Kläger seinen voraussichtlichen Bruttoarbeitslohn im Inland und in den Niederlanden zutreffend angegeben.

Der inländische Arbeitgeber behielt aufgrund der Bescheinigung des FA LSt nach der Steuerklasse III ein und berücksichtigte dabei die in den Bescheinigungen ausgewiesenen Freibeträge gem. § 39a Abs. 1 Nrn. 1 und 6 EStG 1997.

Nach einer LSt-Außenprüfung forderte das FA die LSt für die Streitjahre nach. Der dagegen gerichteten Klage gab das FG statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 21.08.2007, 10 K 121/04 L, Haufe-Index 1988835, EFG 2007, 1850).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Einzelnes ergibt sich aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1. Nach § 50 Abs. 5 S. 1 EStG gilt die ESt für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen, bei beschränkt Steuerpflichtigen als durch den Steuerabzug abgegolten. Dies gilt nach § 50 Abs. 5 S. 4 Nr. 1 EStG 1997/§ 50 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 EStG 2001, jetzt § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des JStG 2009, nicht, wenn der Steuerabzug nach Maßgabe unbeschränkter Steuerpflicht vorgenommen wurde und nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten ESt-Pflicht i.S.d. § 1 Abs. 2 oder 3 EStG oder des § 1a EStG nicht vorgelegen haben; § 39 Abs. 5a EStG ist dann sinngemäß anzuwenden.

Letzteres betrifft jenen Arbeitnehmer, für den eine LSt-Karte ausgestellt worden ist. Er hat dem FA nach § 39 Abs. 5a EStG unter Vorlage der LSt-Karte unverzüglich anzuzeigen, wenn er zu Beginn des Kalenderjahrs beschränkt einkommensteuerpflichtig oder im Lauf des Kalenderjahrs beschränkt einkommensteuerpflichtig geworden ist. Das FA hat die LSt-Karte vom Zeitpunkt des Eintritts der beschränkten ESt-Pflicht an ungültig zu machen. Unterbleibt die Anzeige, hat das FA die zu wenig erhobene LSt vom Arbeitnehmer nachzufordern, wenn diese 20 DM/10 Euro übersteigt.

2. Im Urteilsfall hatte der klagende Arbeitnehmer keine LSt-Karte erhalten. Er war auf seinen Antrag hin jedoch als fiktiv unbeschränkt steuerpflichtig gem. § 1 Abs. 3 EStG behandelt worden. Dementsprechend hatte das FA ihm eine Bescheinigung gem. § 39c Abs. 4 EStG zur Vorlage bei seinem Arbeitgeber ausgestellt. Später – nach Ablauf des VZ – stellte sich heraus, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG nicht vorgelegen hatten; der Kläger erfüllte die dafür erforderlichen Einkommens-Höchstsätze des § 1 Abs. 3 S. 3 EStG nicht, weil er in seinem Wohnsitzstaat – den Niederlanden – "zuviel" verdient hatte.

Dieser "Mangel" am Tatbestand war vom FA auch tatsächlich erst "nachträglich" festgestellt worden. Allerdings hätte ihm das womöglich zuvor auffallen können. Denn der Kläger hatte seine "wahren" Einkünfte frank und frei erklärt, als er die Ersatzbescheinigung nach § 39c Abs. 4 S. 2 EStG beantragt und dann auch erhalten hatte.

3. Streitfrage war nun, ob das FA gleichwohl berechtigt war, die Steuer gem. § 50 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 EStG a.F., § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG n.F. i.V.m. § 39 Abs. 5a EStG nachzufordern.

Der Arbeitnehmer verneinte das. Er berief sich auf seine redlichen Angaben bei der Erteilung der Bescheinigung. Eine besondere Anzeigepflicht werde angesichts dessen durch § 39 Abs. 5a EStG nicht ausgelöst.

Der BFH hält von einer solchen "Logik" indes nichts:

Für die LSt-Nachforderung nach § 50 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 EStG a.F., § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG n.F. i.V.m. § 39 Abs. 5a EStG kommt es allein darauf an, dass die fehlende unbeschränkte Steuerpflicht "nachträglich""festgestellt" (= bemerkt) worden ist. Alles andere ist unbeachtlich. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bei Erteilung der Bescheinigung wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat oder nicht. Jene Angaben beruhen ohnehin immer nur auf einer Einkunftsprogno...

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