Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht bei fehlendem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt des Steuerpflichtigen im Inland

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Stellt die Finanzbehörde aufgrund eines Versehens eine von Anfang an unrichtige Lohnsteuerbescheinigung nach § 39 c Abs. 4 EStG betr. die Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer aus, ohne dass dies auf fehlerhaften Angaben des Stpfl. beruht, fehlt es an den Voraussetzungen für eine Lohnsteuernachforderung nach § 39 Abs. 5 a Satz 4 EStG.
  2. Bei der in § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG enthaltenen Anordnung, bei nachträglicher Feststellung des Nichtvorliegens der Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht § 39 Abs. 5 a EStG sinngemäß anzuwenden, handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung und nicht um eine Rechtsfolgenverweisung.
 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 3, § 39 Abs. 5a S. 4, § 39c Abs. 4, § 50 Abs. 5 S. 2 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

1998, 1999, 2000, 2001

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.09.2008; Aktenzeichen I R 65/07)

 

Tatbestand

I. Strittig ist, ob der Beklagte für die Streitjahre (1998 bis 2001) gemäß § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. d. F. des Art. 1 Nr. 35 des Steuersenkungsgesetzes vom 23. Oktober 2000 (zuvor: § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 EStG) i. V. m. § 39 Abs. 5 a Satz 4 EStG Lohnsteuer nachfordern durfte, weil die Voraussetzungen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht i. S. von § 1 Abs. 3 EStG nicht vorlagen.

Der Kläger und seine Ehefrau haben ihren Wohnsitz in den Niederlanden. Der Kläger war in den Streitjahren bei der „A” AG in „B” mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden als Controller beschäftigt. In gleichem Umfang war er in dieser Funktion bei der „A” BV in den Niederlanden tätig.

Der Beklagte erteilte dem Kläger für die Streitjahre Bescheinigungen gemäß § 39 c Abs. 4 EStG. In seinen Anträgen auf Erteilung einer Bescheinigung für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer aus den Niederlanden (1998) bzw. auf Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3, § 1 a EStG (1999 bis 2001) hatte der Kläger seinen voraussichtlichen Bruttoarbeitslohn im Inland und in den Niederlanden auf folgende Beträge beziffert:

Inland

Niederlande

1998

93.600 DM

96.000 hfl

1999

98.400 DM

115.000 hfl

2000

110.000 DM

121.500 hfl

2001

110.000 DM

121.500 hfl

Die „A” AG behielt aufgrund der Bescheinigungen des Beklagten Lohnsteuer nach Steuerklasse III ein und berücksichtigte dabei die in den Bescheinigungen ausgewiesenen Freibeträge gemäß § 39 a Abs. 1 Nr. 1 und 6 EStG.

Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der „A” AG wies der Prüfer die Lohnsteuerstelle Arbeitgeber des Beklagten darauf hin, dass der Kläger in den Streitjahren sein Gehalt je zur Hälfte von der „A” AG und der „A” BV bezogen habe und bat darum, den Lohnsteuerabzug für diese Jahre zu überprüfen.

Der Beklagte erließ daraufhin Einkommensteuerbescheide für 1999 und 2000 vom 16. Oktober 2002 und für 2001 vom 6. Januar 2003, hob jedoch die Bescheide für 1999 und 2000 auf Einsprüche des Klägers hin mit Verfügung vom 8. Januar 2003 wieder auf. Für das Jahr 1998 hatte er zuvor bereits durch Nachforderungsbescheid vom 20. Dezember 2002 Lohnsteuer gemäß § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. § 39 Abs. 5 a EStG nachgefordert. Für die Jahre 1999 bis 2001 ergingen Nachforderungsbescheide vom 26. Februar 2003.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 14. Februar 2003 gegen den Nachforderungsbescheid für 1998 und mit Schreiben vom 6. März 2003 gegen die Nachforderungsbescheide für 1999 bis 2001 Einsprüche ein. Das Einspruchsschreiben vom 14. Februar 2003 ging nach dem Eingangsstempel am 21. Februar 2003 beim Beklagten ein. Der Kläger machte mit den Einsprüchen geltend, der Beklagte habe nicht nachträglich i. S. von § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG festgestellt, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht i. S. von § 1 Abs. 3 EStG nicht vorgelegen hätten. Er – der Kläger – habe in seinen Anträgen gemäß § 39 c Abs. 4 Satz 2 EStG die zur Prüfung der unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG erforderlichen Angaben zur Höhe seiner Einkünfte gemacht. Nur bei einer nachträglichen Änderung hinsichtlich der Höhe der Einkünfte dürfe Lohnsteuer nachgefordert werden. Die Finanzbehörde dürfe keine Lohnsteuer nacherheben, wenn sie aufgrund zutreffender Angaben im Antrag gemäß § 39 c Abs. 4 Satz 2 EStG in der Lage gewesen sei, festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 EStG nicht vorlagen.

Der Beklagte setzte die für die Jahre 1999 bis 2001 nachgeforderte Lohnsteuer durch Bescheide vom 2. Mai 2003 herab. Mit Schreiben vom 21. Mai 2003 wies er den Kläger darauf hin, dass er den Einspruch gegen den Bescheid für 1998 für verfristet halte, weil die Einspruchsfrist am 20. Februar 2003 abgelaufen, der Einspruch jedoch erst am 21. Februar 2003 eingegangen sei. Die Nachforderung der Lohnsteuer sei rechtmäßig. Eine Veranlagung des Klägers n...

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