Leitsatz

Art. 13 Teil B Buchst. g i.V.m. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die Lieferung eines Grundstücks, auf dem noch ein altes Gebäude steht, das abgerissen werden muss, damit an seiner Stelle ein Neubau errichtet werden kann, und mit dessen vom Verkäufer übernommenen Abriss schon vor der Lieferung begonnen worden ist, nicht unter die in der ersten dieser beiden Bestimmungen vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer fällt. Solche aus Lieferung und Abriss bestehenden Umsätze bilden mehrwertsteuerlich einen einheitlichen Umsatz, der unabhängig davon, wie weit der Abriss des alten Gebäudes zum Zeitpunkt der tatsächlichen Lieferung des Grundstücks fortgeschritten ist, in seiner Gesamtheit nicht die Lieferung des vorhandenen Gebäudes und des dazugehörigen Grund und Bodens zum Gegenstand hat, sondern die Lieferung eines unbebauten Grundstücks.

 

Normenkette

Art. 13 Teil B Buchst. g, Art. 4 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der 6. EG-RL (Art. 135 Abs. 1 Buchst. 1 MwStSystRL), § 4 Nr. 12 UStG

 

Sachverhalt

1998 verkaufte Don Bosco (D) eine Parzelle, auf der zwei alte Gebäude standen, die D für den geplanten Neubau vollständig abreißen lassen wollte. Mit dem Verkäufer war vereinbart, dass dieser die Abrissgenehmigung beantragen und dann im eigenen Namen abreißen lassen sollte, die Kosten aber D nachträglich zusätzlich als Kaufpreis berechnen konnte. Erst nach Beginn des Abbruchs, 1999, wurde das Grundstück übergeben. Die niederländische Verwaltung meinte, auch ein Grundstück mit einem vom Verkäufer noch abzureißenden Gebäude sei ein bebautes Grundstück.

 

Entscheidung

Sache des vorlegenden Gerichts ist es nun – so der EuGH – zu prüfen, ob das betreffende Grundstück unter den Begriff des Baugrundstücks i.S.v. Art. 4 Abs. 3 Buchst. b und Art. 13 Teil B Buchst. h der 6. EG-RL fällt. Nach Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL gelten "als Baugrundstücke … erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten". Diese müssen allerdings das Ziel der Vorschrift beachten: Nur die Lieferungen solcher unbebauter Grundstücke sind von der Mehrwertsteuer zu befreien, auf denen kein Gebäude – vom Veräußerer – errichtet werden soll (EuGH, Urteil vom 28.03.1996,  C-468/93"Gemeente Emmen", Slg. I 1996, 1721, UR 1996, 297), Grundstücke also, die von den Mitgliedstaaten als zur Bebauung bestimmte Grundstücke definiert werden, gleichgültig, ob sie erschlossen sind oder nicht.

 

Hinweis

1. Das Verfahren betraf die Frage der Befreiung von der GrESt für den Erwerb einer Immobilie, die nach niederländischem Recht von der Mehrwertsteuerpflicht des betreffenden Umsatzes abhängt. Befreit von der Mehrwertsteuer sind nach Art. 13 Teil B Buchst. g der 6. EG-RL die Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörenden Grund und Boden; nach niederländischem Recht aber nur, wenn der Erwerb bis zu 2 Jahren nach dem Erstbezug erfolgt. Im Streitfall war entscheidend, ob es sich um ein bebautes Grundstück oder ein Baugrundstück handelte.

2. Ist Gegenstand eines Vertrags ein Grundstück unbebautes Grundstück und muss daher der Verkäufer das noch aufstehende Gebäude selbst (auf eigene Rechnung) abreißen lassen, kann auch umsatzsteuerrechtlich Leistungsgegenstand nicht ein bebautes Grundstück sein. Aufgrund der Vertragsformulierungen sind das niederländische Gericht und der EuGH von zwei Leistungen – Übertragung des Grundstücks im Zustand des Zeitpunkts des Vertragsschlusses und zusätzlich einer Abrissverpflichtung – ausgegangen.

Das bedingte Ausführungen zur Abgrenzung: einheitliche oder getrennte Leistungen. Der EuGH kommt auf diesem Umweg – weil "wirtschaftlicher Zweck dieser Handlungen … die Lieferung eines baureifen Grundstücks" ist, zu einem engen Zusammenhang der beiden Leistungen und urteilt zu Recht, es wäre wirklichkeitsfremd, anzunehmen, dass der Erwerber von ein und derselben Person zunächst ein – für ihn, den Erwerber – völlig nutzloses altees Gebäude mit dem dazugehörigen Grund und Boden erworben hat, und – trotz gleicher Vertragsgrundlage für die Abrissverpflichtung – danach unabhängig davon die Abrissleistungen bezogen hat, die allein geeignet waren, "dem Grundstück einen solchen wirtschaftlichen Nutzen zu verleihen". M.a.W. Gegenstand des Vertrags war ein unbebautes Grundstück. Eine schlichte Auslegung des Vertrags hätte zum selben Ergebnis geführt.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 19.11.2009 – C-461/08 – Don Bosco Onroerend Goed –

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