Gerade bei der Einführung neuer digitaler Geschäftsmodelle bedarf es Steuerungsmechanismen, die der zugrundeliegenden Unsicherheit Rechnung tragen. Zu diesem Zeitpunkt liegen nur Behauptungen und Hypothesen vor, die für eine gute Steuerung so schnell und präzise wie möglich getestet werden sollten. Diese Hypothesen sollten sich auf die zentralen Erfolgsfaktoren des Geschäftsmodells beziehen. Diese wiederrum ergeben sich durch die Betrachtung der 4 Fragen des Geschäftsmodells: Wer? Was? Wie? Wert?[1]

Da sich digitale Geschäftsmodelle oft in den frühen Lebenszyklusphasen durch Verluste auszeichnen, können traditionelle finanzielle Kennzahlen nur bedingt zur Steuerung eingesetzt und müssen durch nicht finanzielle, operative Kennzahlen ergänzt werden.[2] Natürlich behalten finanzielle Kennzahlen noch ihre Bedeutung, allerdings bilden sie das Marktgeschehen als Spätindikatoren ab. Zur Steuerung ist daher vermehrt die Betrachtung von Frühindikatoren sowie von Forecasts und möglichen Szenarien nötig. Wichtig ist hierbei, mit der Auswahl auch die Zusammenhänge zwischen den Kennzahlen und damit auch den kritischen Erfolgsfaktoren des Geschäftsmodells mit zu berücksichtigen und abzubilden. Dabei werden sich die Kennzahlen im Verlauf des Lebenszyklus eines Geschäftsmodells auch ändern. Dies entspricht im Lean Startup-Kontext dem Übergang vom "Messen" zum "Lernen" und beinhaltet das Denken in veränderten Szenarien.

Gerade bei der Bewertung und Umsetzung neuer digitaler Geschäftsmodelle ist eine einmalige, exakte Durchrechnung nicht möglich. Metriken müssen in kurzen Zyklen Anwendung finden, um eine Steuerung in dem dynamischen und unsicheren Umfeld zu ermöglichen. Nach dem "Messen" wird daher in einem Lernprozess entschieden, ob die aufgestellten Annahmen bestätigt werden (z. B. ob Registrierungen auf einer Webseite auch tatsächlich zu neuen Kunden führen) und das Geschäftsmodell erfolgversprechend ist und weitergeführt werden kann (persevere) oder Änderungen vorgenommen werden müssen (pivot).

Eine besondere Herausforderung für das Controlling besteht bei digitalen Geschäftsmodellen darin, aus der durch Big Data möglichen großen Anzahl von Kennzahlen die geeignetsten auszuwählen. Dafür benötigen Controller ein tiefgehendes Verständnis über das Geschäft. Dabei gilt es auch, sogenannte "vanity metrics" (also Eitelkeits-Kennzahlen, z. B. die Anzahl von Likes, die aber nicht zu Umsatz führen) zu vermeiden, die zwar nach außen gut aussehen, aber nicht oder nur wenig zur Unternehmenssteuerung geeignet sind. Gerade hier hilft das Verständnis des Lean Startup Ansatzes, um die geeigneten Metriken zu bestimmen. Hiernach geht es zunächst darum, die riskanteste Hypothese zu testen, bei deren Nicht-Eintreten das gesamte Geschäftsmodell scheitert.

Abb. 1: Steuerung digitaler Geschäftsmodelle mit der Unterstützung der Lean Startup Methode[3]

Bei der Steuerung neuer digitaler Geschäftsmodelle sollte das Controlling daher sein traditionelles Repertoire um neuere innovative Ansätze wie den Lean Startup-Ansatz erweitern. Dabei sind ein erweitertes Wissen über operative Kennzahlen und deren Verknüpfung untereinander und mit finanziellen Größen sowie kürzere Steuerungszyklen nötig.

In dem Bereich neuer digitaler Geschäftsmodelle bietet sich der Transfer von agilen und innovativen Ansätzen in das Controlling an. Der zunehmende Digitalisierungsdruck erfordert aber auch ein neues Mindset im Controlling.

[1] Vgl. Gassmann et al., 2013 sowie Engelhardt et al., 2019.
[2] Vgl. für eine Übersicht möglicher Kennzahlen Schönbohm/Egle, 2017, S. 229.
[3] Eigene Darstellung auf Basis von Ries, 2011 und Gassmann et al. 2013, S. 6

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