Leitsatz

Bewirtschaftete Grundstücksflächen, die zu einem inländischen landwirtschaftlichen Betrieb gehören und im grenznahen Ausland (hier: den Niederlanden) belegen sind, können als Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO zu qualifizieren und die hierdurch erzielten Einkünfte deshalb gem. § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2009 vom sog. Progressionsvorbehalt auszunehmen sein.

 

Normenkette

§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 Nr. 1, Satz 3 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2009, § 12 AO, Art. 4, Art. 20 Abs. 2 DBA-Niederlande 1959

 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb im Streitjahr 2008 einen grenzüberschreitenden landwirtschaftlichen Mischbetrieb (Ackerbau- und Milchwirtschaft). Von den insgesamt bewirtschafteten Flächen, die sich ohne Ausnahme im Umkreis von weniger als zehn Kilometern zur inländischen Hofstelle befunden haben, waren rd. 88 % in Deutschland und die restlichen Flächen (sog. Traktatland) in den Niederlanden belegen. Auf den niederländischen (eingezäunten) Flächen, die nicht im Eigentum des Klägers standen, wurden Feldfrüchte angebaut

Die vom buchführungspflichtigen Kläger ermittelten Gewinne wurden nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zugeordnet. Das FA unterwarf den Gewinnanteil, der hiervon auf die in den Niederlanden belegenen Flächen entfiel, dem sog. Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG. Der Kläger habe in den Niederlanden keine Betriebsstätte i.S.v. § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 43a Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2009 unterhalten. Der daraufhin erhobenen Klage hat das FG stattgegeben (FG Köln, Urteil vom 5.9.2012, 4 K 351/11, Haufe-Index 3429463, EFG 2012, 2288).

 

Entscheidung

Der BFH hat das FG vollauf bestätigt: Weil die niederländischen Traktatländereien eigene Betriebsstätten i.S.v. § 12 AO seien, greife die Rückausnahme des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG. Die "holländischen" Einkunftsbestandteile seien nicht in die Steuersatzberechnung einzubeziehen.

 

Hinweis

Es geht um die Feinheiten des Wechselspiels zwischen abkommensrechtlicher Freistellung von Einkünften aus der Land- und Forstwirtschaft einerseits und der im Inland nach Abkommensrecht gleichwohl vorbehaltenen Einbeziehung jener Einkünfte in den sog. Progressionsvorbehalt andererseits:

1. Verfügt ein im Inland betriebener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb im Ausland über land- und forstwirtschaftliche Flächen und wurde mit diesem ausländischen Staat ein DBA nach Maßgabe des OECD-Standards vereinbart (wie hier mit den Niederlanden), dann richtet sich das Besteuerungsrecht für die betreffenden Einkünfte, soweit sie auf die ausländischen Grundstücksflächen entfallen, nach dem sog. Belegenheitsprinzip. Das Besteuerungsrecht gebührt also dem ausländischen Vertragsstaat als Quellenstaat. Im Inland sind die Einkünfte von der Besteuerung hingegen auszunehmen und damit freizustellen.

2. Gemeinhin vereinbaren die Staaten aber zugunsten des Ansässigkeitsstaats die Einbeziehung jener freigestellten Einkünfte in die Steuersatzberechnung, und diese Berechnung wiederum bestimmt sich nach dem inländischen Steuerrecht, in Deutschland also nach § 32b EStG.

Und danach wurde mit dem JStG 2009 in § 32b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 3 EStG eine höchst komplexe und ausdifferenzierte Vorschrift geschaffen:

Hat ein unbeschränkt Steuerpflichtiger Einkünfte bezogen, die nach einem DBA steuerfrei sind, so ist auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden. Doch gilt das nicht für Einkünfte aus einer anderen als in einem Drittstaat belegenen land- oder forstwirtschaftlichen Betriebsstätte. Drittstaat in diesem Sinne ist ein Staat, der nicht Mitgliedstaat der EU ist (§ 32b Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2a Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 EStG); unter der Voraussetzung einer fehlenden wechselseitigen Auskunftserteilung auch ein Staat, auf den das EWR-Abkommen anwendbar ist (§ 32b Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2a Abs. 2a Satz 2 EStG).

3. Ob eine solche Betriebsstätte allein durch die Bewirtschaftung eines Grundstücks im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs unterhalten werden kann – und die Einbeziehung der abkommensrechtlich freigestellten Einkünfte in den Progressionsvorbehalt damit ausgeschlossen wird –, ist indessen kontrovers.

Der BFH hat diese Kontroverse jetzt entschieden. Er lässt die "bloße" land- oder forstwirtschaftliche Bewirtschaft für die Annahme einer Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO genügen.

Die Flächen repräsentieren als körperliche Gegenstände eine feste Geschäftseinrichtung mit einer festen Beziehung zu einem bestimmten Teil der Erdoberfläche von einer gewissen Dauer. Sie dienen der Tätigkeit des land- und forstwirtschaftlichen Unternehmens und gewährleiste auch eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht.

Der Umstand, dass das alles nicht mit dem strikten Belegenheitsprinzip abgestimmt ist, wie sich das in grenzüberschreitenden Zusammenhängen andernorts, wie beispielsweise in § 34d Nr. 1 oder auch in § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG wiederfindet, widerspricht de...

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