Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussonderungsrecht in der Insolvenz. Abfindungsanspruch. Masseverbindlichkeit. Insolvenzforderung. Sondervermögen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Abfindungsansprüche von Arbeitnehmern, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind, stellen einfache Insolvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO dar.

2. Ein Aussonderungsrecht i. S. d. § 47 InsO kann ausnahmsweise angenommen werden, wenn Abfindungsansprüche bestehen, die einem Sondervermögen zuzuordnen sind, das separiert von der Insolvenzmasse verwaltet wird.

 

Normenkette

InsO §§ 35, 38, 47, 55

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Urteil vom 01.08.2006; Aktenzeichen 1 Ca 1051/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.02.2008; Aktenzeichen 6 AZR 273/07)

 

Tenor

1) Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wesel vom01.08.2006 – 1 Ca 1051/06 – teilweise abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3) Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Frage, ob ein beim Amtsgericht I. hinterlegter Geldbetrag in Höhe von 387.243,43 EUR teilweise zu Gunsten des Klägers freizugeben ist.

Der Kläger war seit dem 04.04.1962 bei der Beklagten zu 2) als Pförtner in deren Werk L. beschäftigt. Das Werk in L. wurde mit Wirkung zum 01.01.2002 auf der Grundlage eines Kaufvertrages vom 27.12.2001 an die Firma D. T. Lebensmittelwerke GmbH (im Folgenden „D.” genannt) veräußert. Die D. führte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fort.

Im Zusammenhang mit einer danach durchgeführten Betriebsänderung schlossen die D. und die Beklagte zu 2) mit ihren Betriebsräten einen Interessenausgleich vom 15.02.2002 und einen Sozialplan vom selben Tag. Im Sozialplan war unter anderem die Absenkung des Gesamtentgeltes der betroffenen Mitarbeiter um 20 % und deren Kompensation durch die Zahlung von außertariflichen Zulagen vorgesehen. Die Finanzierung dieses Vergütungsmodells sollte über ein Fondsmodell erfolgen. Dieses sah gemäß Ziffer 2.2.5 des Sozialplans vom 15.02.2002 die einmalige Zahlung der Beklagten zu 2) in Höhe von 7,72 Millionen an die D. vor und zwar auf ein Konto der D. bei der Bremer Sparkasse. Die Leistung der Beklagten zu 2) erfolgte vertragsgemäß nach Beibringung einer Bankgarantie über den Gesamtbetrag. Wegen der weiteren Einzelheiten des Interessenausgleichs und des Sozialplans wird im Übrigen auf Blatt 4 bis 26 der Akten und hinsichtlich des Fondsmodells auf Blatt 17 bis 19 der Akten verwiesen.

Unter dem 25.02.2005 schlossen die D. und der bei ihr bestehende Betriebsrat einen „Sozialplan über Reorganisationsmaßnahmen zur Unternehmenssicherung”, der einen Personalabbau zum 31.03.2005 vorsah. Hiernach sollte auch das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger beendet werden. In der Betriebsvereinbarung vom 25.02.2005 heißt es unter anderem:

2. Änderung des Sozialplan vom 15.02.2002

2.1 Einstellung der Zahlung der Sozialplanzulagen

Der Sozialplan vom 15.02.2002 (SP 2002) wird zum 01.04.2005 dahingehend geändert, dass ab dem 01.04.2005 die monatliche Kompensation die infolge der damaligen Absenkung des Grundentgeltes gezahlt wird (Ziff. 2.2.2 SP 2002) entfällt.

2.2 Auszahlung des Restanspruchs auf den individuellen Mindestanspruch

Der individuellen Mindestanspruch auf Verdienstschutz nach Ziff. 2.2.3 SP 2002 wird mit der Abrechnung für April 2005 an die jeweiligen berechtigten Mitarbeiter ausgezahlt, soweit er noch nicht durch monatliche Kompensationszahlungen nach Ziff. 2.2.2 SP 2002 oder durch die Einmalzahlung nach Ziff. 2.2.4 Absatz 2 SP 2002 ausgezahlt wurde. Als Grundlage für die Berechnung des Anspruchs gilt der seit Jahren auf der Abrechnung erkennbare Wert „Restanspruch Sozialplan”, der im SAP-Entgeltsystem ermittelt wird.

Mitarbeitern, denen nach Ziff. 1.3 dieses Sozialplans gekündigt wird, wird dieser Restanspruch nicht unmittelbar und direkt ausgezahlt, sondern zur Finanzierung eines Modells zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile, die mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbunden sind, verwendet.

Die D. kündigte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.03.2005 und erstellte ihm am 31.03.2005 eine Abfindungszusage über 16.709,92 EUR. Unter dem 29.03.2005 schlossen der Kläger, die D. und die Transfergesellschaft H. einen dreiseitigen Vertrag, wonach der Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der D. vom 01.04. bis zum 30.11.2005 in ein Anstellungsverhältnis bei der H. GmbH wechselte. Dieses Anstellungsverhältnis wurde später aufgrund einer Vereinbarung vom 27.10.2005 mit dem 31.10.2005 beendet. Das Gesamtvolumen der Ansprüche der Mitarbeiter, die nach dem Sozialplan vom 25.02.2005 zum 31.03.2005 ausgeschieden waren, betrug zum 31.03.2005 387.243,43 EUR. Dieser Betrag wurde der Beklagten zu 2) von der Firma D. zur Verfügung gestellt, verbunden mit der Zweckbestimmungserklärung vom 27.05.2005, diesen Betrag ausschließlich zur Auszahlung an die namentlich benannten Mitarbeiter in der angegebenen Höhe verwenden zu wollen und verbunden...

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