Entscheidungsstichwort (Thema)

Masseforderung i.S.d. § 209 I Nr. 2 i.V.m. § 209 II Nr. 2 InsO. Können i.S.d. § 209 II Nr. 2 InsO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vergütungsansprüche eines Arbeitnehmers sind Masseforderungen im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO, wenn sie aus einem Arbeitsverhältnis stammen für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Kündigung des Arbeitsverhältnisses hätte aussprechen können.

2. Der erste Termin zu dem eine Insolvenzverwalterkündigung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit ausgesprochen werden kann, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt zu welchem die Voraussetzungen für den Ausspruch der Kündigung (Betriebsratsanhörung; Interessenausgleich) vorlagen.

 

Normenkette

InsO § 209 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 19.10.2004; Aktenzeichen 5 Ca 3498/03)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.10.2004 – Aktenzeichen 5 Ca 3498/03 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung des Beklagten vom 21.03.2003 und über Vergütungsansprüche.

Die am 15.07.1949 geborene ledige Klägerin war ab dem 01.04.1970 für die Insolvenzschuldnerin und deren Rechtsvorgänger als Fertigungskraft gegen ein durchschnittliches Entgelt von EUR 2 210,00 monatlich tätig. Die Insolvenzschuldnerin befasste sich mit der Entwicklung und der Herstellung sowie dem Vertrieb von elektronischen Systemen und Technologieprodukten, insbesondere von hochlagigen und komplexen Leiterplatten.

Nach Anordnung von Sicherungsmaßnahmen durch Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 06.06.2002 wurde am 01.09.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter ernannt. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Beklagten mit Schreiben vom 16.09.2002 hat die Klägerin mit Nichtwissen bestritten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschloss der Beklagte, die betriebliche Organisation und die Arbeitsabläufe zu straffen und 346 von 838 Arbeitskräften abzubauen. Am 18.09.2002 wurde die Klägerin von der Arbeit freigestellt. Am 07.11.2002 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan (Blatt 48 bis 59 der erstinstanzlichen Akte). In Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgeführt, deren Arbeitsverhältnis gekündigt werden soll, darunter die Klägerin. Im Interessenausgleich der Vereinbarung vom 07.11.2002 ist aufgeführt, dass der Geschäftsbetrieb in erheblich eingeschränktem Umfang zunächst befristet bis zum 31.01.2003 fortgeführt werden soll. Weiter ist niedergelegt, dass der Betriebsrat zu allen Kündigungen ordnungsgemäß angehört und beteiligt worden und das Verfahren nach §§ 102 ff. BetrVG abgeschlossen ist. In IV. Nr. 1 (Inkrafttreten) der Vereinbarung vom 07.11.2002 haben die Betriebsparteien Folgendes niedergelegt:

„Diese Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft und gilt bis zur Zweckerreichung. Die Wirksamkeit dieses Interessenausgleichs und Sozialplans steht unter der auflösenden Bedingung, dass es dem Insolvenzverwalter gelingt, bei einem Geldinstitut den zur Fortführung des Geschäftsbetriebs dringend erforderlichen Kredit zu erhalten.”

Am 17.03.2003 schlossen die Betriebsparteien eine weitere Vereinbarung (Blatt 102 und 103 der erstinstanzlichen Akte), die auszugsweise lautet:

  1. „Der Zweck der Aufnahme der Bedingung in Ziff. IV Nr. 1 der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan vom 07.11.2002, nämlich die Fortführung des Geschäftsbetriebs bis Januar 2003, wenn nicht sogar bis März 2003 zu gewährleisten, wurde erreicht.
  2. Die Beteiligten sind sich daher rechtstatsächlich einig, dass die Bedingung in Ziff. IV. Nr. 1 der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan vom 07.11.2002 keine Wirkung mehr entfaltet; sie wird einvernehmlich mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung aufgehoben. Damit wird die Betriebsvereinbarung über den Interessenausgleich und Sozialplan einschließlich der Anlage 1, Buchstabe A und B vom 07.11.2002 wirksam.”

Nach erneuter Anhörung zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses am 14.03.2003 sprach der Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 21.03.2003 eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses „aus betrieblichen Gründen außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist, die der in § 113 Absatz 1 InsO vorgesehenen Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende entspricht” zum 30.06.2003 aus. Die wegen endgültiger Stilllegung des Geschäftsbetriebes am 31.07.2003 ausgesprochene weitere Kündigung des Beklagten vom 23.06.2003 zum 30.09.2003 griff die Klägerin zuletzt nicht mehr an.

Am 31.03.2003 hat die Klägerin Kündigungsfeststellungs- un...

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