Leitsatz

Infolge der fehlenden Einspeisung des Stroms in das allgemeine Stromnetz wird der dezentral verbrauchte Strom nicht vom KWK-Anlagenbetreiber auf den Betreiber des Stromnetzes übertragen. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung handelt es sich beim dezentralen Stromverbrauch nicht um eine Lieferung der KWK-Anlagenbetreiber an den Netzbetreiber als erster Teil der Hin- und Rücklieferungskonstruktion.

 

Sachverhalt

Die Klägerin bündelt sämtliche Aufgaben der Strom-, Gas-, Wärme- und Wassernetze in der Stadt Z. An die von der Klägerin betriebenen Stromverteilernetze sind von Anlagenbetreibern betriebene KWK-Anlagen angeschlossen. Diese Anlagen speisen teils den Strom in das Netz der Klägerin ein, teils wird der produzierte Strom (nahezu) ausschließlich von den Anlagenbetreibern selbst dezentral verbraucht.

Nach dem Kraft-Wärme Kopplungs-Gesetz (KWKG) muss die Klägerin den von den an ihr Verteilernetz angeschlossenen KWK-Anlagenbetreibern produzierten Strom abnehmen und neben dem vereinbarten Preis einen Zuschlag entrichten. Dieser Zuschlag erfolgt auch für den Strom, der aufgrund des dezentralen Verbrauchs tatsächlich nicht in ein Netz für den allgemeinen Gebrauch eingespeist wird.

Die Klägerin hatte gegenüber KWK-Anlagenbetreibern, die den produzierten Strom nahezu ausschließlich selbst nutzten, hierfür keine Abrechnungen erstellt. Nach Auffassung des Finanzamts wäre dies aber erforderlich gewesen. Nach Abschnitt 2.5 UStAE gilt der gesamte von den Betreibern der KWK-Anlagen erzeugte Strom zunächst in das öffentliche Stromnetz eingespeist und dann hinsichtlich des vom Anlagenbetreiber selbst verbrauchten Stroms durch den Stromnetzbetreiber als wieder zurück geliefert. Zu den betroffenen Anlagenbetreibern gehörte u. a. der WVV. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts nutzte dieser die KWK-Anlage, die an sein eigenes Stromnetz angeschlossen war, im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit. Während der laufenden Betriebsprüfung fakturierte die Klägerin die Rechnungen und Gutschriften "nachträglich" gegenüber dem WVV. Diese verweigerte jedoch die Zahlung der nachträglich berechneten Umsatzsteuer, da sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des FG liegt hinsichtlich des dezentral vom WVV verbrauchten Stroms keine umsatzsteuerlich relevante Leistung der Klägerin gegenüber dem WVV vor. Durch die Erzeugung von Strom in der KWK-Anlage und den dezentralen Verbrauch durch den WVV erfolgt keine Lieferung von Strom der Klägerin an den WVV. Da insoweit keine Hinlieferung vom WVV an die Klägerin vorliegt, kann auch keine Rücklieferung der Klägerin an den WVV gegeben sein. Lieferungen sind Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht, § 3 Abs. 1 UStG). Hiervon ist bei der Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag auszugehen, welche allerdings häufig mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum verbunden ist. Ob danach die Verfügungsmacht übertragen wird, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls, d. h. den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten. Bei Anwendung der o. g. Grundsätze ist nicht von einer Übertragung der Verfügungsmacht vom WVV auf die Klägerin als Netzbetreiberin auszugehen. Vorliegend wird der in der KWK-Anlage erzeugte Strom gerade nicht in das Netz der Klägerin eingespeist. Hiervon gingen die Beteiligten bislang übereinstimmend aus. Auch hat die Klägerin auf einen Einspeisevertrag zwischen dem WVV und ihr verwiesen, wonach bereits bei Vertragsschluss eine voraussichtliche physikalische Einspeisung ins Netz der Klägerin mit 0 kWh/a angegeben wurde. Auch ist der Strombedarf in der Kundenanlage des WVV (sog. Grundlast) durchgängig höher als die Stromerzeugung in der KWK-Anlage. Nach dem hier einschlägigen § 4 Abs. 3a KWGK 2009 ist der Netzbetreiber im Fall der fehlenden Einspeisung in das Netz zur allgemeinen Stromversorgung nur zur Entrichtung des Zuschlags verpflichtet. Für den vom WVV dezentral verbrauchten Strom hat die Klägerin unstreitig nur den Zuschlag nach § 4 Abs. 3a KWKG 2009 und keine Vergütung nach § 4 Abs. 3 KWKG ausgezahlt. Diese Umstände begründen keine Übertragung von Substanz, Wert oder Ertrag von Strom. Auch die bloße Möglichkeit, dass in der KWK-Anlage erzeugter Strom infolge des Netzanschlusses eingespeist werden könnte, ändern hieran etwas.

 

Hinweis

Verwaltungsanweisungen (hier Abschn. 2.5 UStAE) entfalten nur Innenwirkung für die Verwaltung und sind für das FG nicht bindend. Das FG hat jedoch die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

 

Link zur Entscheidung

FG Köln, Urteil v. 16.06.2021, 9 K 1260/19

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