Ergibt die Vorteilhaftigkeitsanalyse, dass die Regelbesteuerung für den "Kleinunternehmer" günstiger ist, kann freiwillig auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet werden.[1] Der Unternehmer muss dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklären, dass er auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet. Der Unternehmer muss sich deshalb bis zum Eintritt der sog. formellen Bestandskraft entscheiden. Formelle Bestandskraft ist eingetreten, wenn

  • die Rechtsbehelfsfrist ohne Einlegung eines Rechtsbehelfs abgelaufen ist,
  • gegen eine gerichtliche Entscheidung kein Rechtsbehelf mehr gegeben ist,
  • auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs verzichtet wurde oder
  • der Rechtsbehelf wirksam zurückgenommen wurde.

Mit dem Verzicht bis zur formellen Bestandskraft gilt das Wahlrecht als ausgeübt und ist nicht mehr änderbar.[2] Weil die Umsatzsteuererklärung gem. § 168 AO als Steueranmeldung gilt, ist ein schriftlich erteilter Steuerbescheid nur erforderlich, wenn die Festsetzung zu einer abweichenden Steuer führt.[3]

 
Praxis-Tipp

Wirksamer Einspruch

Nur ein wirksamer Einspruch gem. § 355 Abs. 1 AO innerhalb eines Monats nach Abgabe der Umsatzsteuererklärung bei der Finanzbehörde gewährleistet, dass das Wahlrecht im Nachgang noch geändert werden kann.[4] Auch wenn die Steueranmeldung keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, gilt keine verlängerte Einspruchsfrist.[5]

Insbesondere bei neuen Mandanten, die schon Jahre lang – aus Vereinfachungsgründen – die Kleinunternehmerregelung angewandt haben, muss geprüft werden, ob eine Option zur Regelbesteuerung sinnvoll ist. Dabei ist auch eine nachträgliche Geltendmachung des Vorsteuerabzugs durch eine Berichtigung nach § 15a UStG zu prüfen. Denn gem. § 15a Abs. 7 UStG ist eine Änderung der Verhältnisse auch beim Übergang von der Kleinunternehmerbesteuerung nach § 19 Abs. 1 UStG zur Regelbesteuerung anzunehmen.

 
Praxis-Beispiel

Nachträglicher Vorsteuerabzug

Der angestellte Hausmeister Gerken meldete zum 1.1.2019 ein Nebengewerbe (Hausmeisterservice) an und erwarb hierfür Anfang Januar 2019 einen Hänger für den Transport seiner Materialien zum Preis von 9.000 EUR zzgl. 1.710 EUR Umsatzsteuer. In den Jahren 2019 und 2020 machte er von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch. Da er eine Ausweitung seines Nebengewerbes beabsichtigt und auch weitere Investitionen tätigen möchte, rät ihm sein Steuerberater ab 2021 auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten. Durch den Verzicht sind (nachträglich) 3/5 der Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung des Anhängers (insgesamt 1.026 EUR) abzugsfähig, sofern sich die umsatzsteuerpflichtige Verwendung in den Jahren 2021, 2022 und 2023 nicht ändert.

[2] Vgl. Hage/Hoffmann, Steuerberatung 2016, S. 409.
[4] Vgl. Hage/Hoffmann, Steuerberatung 2016, S. 409.

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