Leitsatz

1. Geht ein Kind nach Abschluss einer Ausbildung einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach, befindet es sich auch dann nicht in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG), wenn es nachfolgend eine weitere Ausbildung beginnt.

2. Ein vollzeiterwerbstätiges Kind ist kein Kind, das seine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG).

3. Die während der Vollzeiterwerbstätigkeit erzielten Einkünfte und Bezüge des Kindes bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des Kindes außer Betracht.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 EStG , § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung Ende Juli 1997 arbeitete die Tochter (T) der Klägerin im August und September 1997 als Steuerfachgehilfin. Am 1.10.1997 nahm sie ein dreijähriges Studium auf.

Im ESt-Bescheid 1997 der T berücksichtigte das FA Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 20 752 DM, Werbungskosten in Höhe von 8 087 DM, was bei Sonderausgaben in Höhe von 4 901 DM zu keiner ESt führte.

Von den Einnahmen entfielen 8 422 DM auf Ausbildungsvergütungen (Monate Januar bis Juli), 7 152 DM auf Gehalt (Monate August und September) und 5 178 DM weitere Ausbildungsvergütungen (Monate Oktober bis Dezember).

Die Familienkasse lehnte es ab, der Klägerin Kindergeld für T für die Monate Januar bis Juli sowie von Oktober bis Dezember 1997 zu gewähren. Zur Begründung führte die Familienkasse an, die Einkünfte der T für das gesamte Jahr überschritten den Jahresgrenzbetrag in Höhe von 12 000 DM.

Das FG wies die Klage ab. Es war der Meinung, die Monate der Vollzeiterwerbstätigkeit (August und September) seien als Übergangszeit i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG anzusehen.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. T habe – aufgrund ihrer Vollzeiterwerbstätigkeit – ihre Berufsausbildung in diesen beiden Monaten unterbrochen. T sei insoweit weder nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG noch nach Buchst. c zu berücksichtigen. Der Klägerin stehe daher für die Monate Januar bis Juli sowie für die Monate Oktober bis Dezember Kindergeld (dem Grunde nach) zu. Da Werbungskosten in Höhe von rd. 8 000 DM (bei Ausbildungsvergütungen in Höhe von 13 600 DM) in diesen zehn Monaten angefallen seien, sei der (anteilige) Jahresgrenzbetrag in Höhe von 10 000 DM nicht überschritten worden.

 

Hinweis

Die Frage, was unter einer "Übergangszeit"(zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von höchstens vier Monaten) i.S.d. §  32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG zu verstehen ist, war unter den Finanzgerichten heftig umstritten. Diese Norm erweitert den Begünstigungszeitraum der Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG) auf solche Zeiten, in denen sich das Kind in einer Zwangspause befindet. Solche Pausen können sich aus unterschiedlichen Gründen ergeben, z.B. vorgeschriebener Ausbildungsverlauf, feste Ausbildungstermine für Ausbildungsbetriebe oder staatliche Ausbildungsinstitutionen, Abbruch der bisherigen Ausbildung.

Bei der Schaffung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass sich das Kind während dieser Zeiträume typischerweise in einer Unterhaltssituation befindet, die derjenigen während der Ausbildung entspricht.

Hiervon ausgehend ist es naheliegend, dass Kinder, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten voll berufstätig sind, nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG nicht berücksichtigt werden. Dies hat zur Folge, dass Einkünfte, die während der Vollzeiterwerbstätigkeit erzielt werden, nicht in die Berechnung des Jahresgrenzbetrags eingehen. Im umgekehrten Fall, also bei Einbeziehung der Einkünfte aus der (vollen) Berufstätigkeit, wäre häufig der Jahresgrenzbetrag überschritten mit der Folge, dass das Kindergeld für das ganze Jahr verloren ginge.

Auch wirtschaftlich ist das vom BFH gefundene Ergebnis befriedigend. Dies zeigt folgender Vergleich: Rechnete man die Vollzeiterwerbstätigkeit zu den "Übergangszeiten" i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG, so würden Eltern eines Kindes, das vier Monate (oder weniger) berufstätig ist und das Einkünfte in kindergeldschädlicher Höhe erzielt, schlechter gestellt als Eltern eines Kindes (mit gleichen Einkünften), das z.B. fünf Monate (oder mehr) zwischen zwei Ausbildungsabschnitten berufstätig ist. Denn diese Monate können wegen der zeitlichen Begrenzung der angeführten Norm zweifellos nicht berücksichtigt werden mit der Folge, dass hier der Kindergeldanspruch für die restlichen Monate des Jahres nicht entfällt.

Zur Klarstellung: In Fällen, in denen ein Kind einer ausbildungsbegleitenden Tätigkeit nachgeht (z.B. ein Student jobbt nebenher), entfällt der Berücksichtigungstatbestand des §  32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG nicht. In diesen Fällen wird der Umfang schädlicher ausbildungsbegleitender Tätigkeiten typisierend (nur) über die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes geregelt (vgl. BFH-Urteil vom 9.6.1999, VI R 33/98, BStBl II 1999, 701, 704 – Spracha...

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