Leitsatz

1. Der Registrierung als Ausbildungsuchender kommt für den Anspruch auf Kindergeld keine (echte) Tatbestandswirkung zu. Sie gilt deshalb als Indiz für das Bemühen des Kindes um einen Ausbildungsplatz auch dann nach Maßgabe des § 38 Abs. 4 SGB III n.F. fort, wenn die Agentur für Arbeit nach der auch formlos möglichen Meldung des Kindes die Registrierung ohne Grund wieder löscht.

2. Die Meldung als Ausbildungsuchender ist nach § 38 Abs. 4 SGB III n.F. nicht mehr auf drei Monate beschränkt. Die Ausbildungsvermittlung ist nach § 38 Abs. 4 SGB III n.F. durchzuführen, bis die Ausbildungssuche in Ausbildung, schulische Bildung oder Arbeit mündet oder sich die Vermittlung anderweitig erledigt oder solange der Ausbildungsuchende dies verlangt. Die Agentur für Arbeit kann die Vermittlung einstellen, wenn der Ausbildungsuchende die ihm nach § 38 Abs. 2 SGB III n. F, der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III n.F. obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO, § 37 Abs. 3 Satz 4, § 38 Abs. 3 und 4, § 119 Abs. 1 SGB III

 

Sachverhalt

K bezog für ihren im Juni 1989 geborenen Sohn J Kindergeld. J brach im Februar 2010 seine Schulausbildung ab. K teilte der Familienkasse mit, J suche seit Februar 2010 einen Arbeits‐ oder Ausbildungsplatz für eine betriebliche Ausbildung. Die Agentur bat, den Fragebogen (Arbeitspaket U25 – Beratungsbogen) vollständig ausgefüllt bis zum 8.3.2010 zurückzusenden. Ausweislich der Dokumentation der Agentur erfolgte dann der letzte Kontakt von J zur Berufsberatung am 29.3.2010. Daraufhin wurde mit Bescheid vom 20.10.2010 die Kindergeldfestsetzung ab März 2010 aufgehoben und das überzahlte Kindergeld zurückgefordert. Dagegen wandte K ein, J sei aufgrund eines Systemfehlers bei der Agentur nicht als ausbildungsuchend erfasst. J meldete sich am 22.10.2010 bei der Agentur als ausbildungsu­chend. Darauf wurde zwar Kindergeld ab Oktober 2010, aber nicht für März bis September 2010 festgesetzt, weil J in diesem Zeitraum weder arbeit‐ noch ausbildungsuchend gewesen sei und auch keine eigenen Bemühungen nachgewiesen habe. Die Klage blieb erfolglos (FG Münster, Urteil vom 5.3.2013, 13 K 2572/11 Kg, AO Haufe-Index 6746757, EFG 2014, 1012).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Dieses wird im zweiten Rechtsgang – wie in den Praxis-Hinweisen erläutert – noch eine Reihe von Feststellungen zu treffen haben.

 

Hinweis

Die Streitfrage: War J als Kind i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG (arbeitslos, als Arbeitssuchender gemeldet) oder i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG (keinen Ausbildungsplatz) zu berücksichtigen?

1. Als arbeitsuchend ist gemeldet, wer gegenüber der zuständigen Agentur persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeigt. Steuerlich ungeregelt ist, wann dieser durch die Meldung begründete Status wieder entfällt. Dazu zieht der BFH § 38 SGB III heran (BFH, Urteil vom 26.8.2014, XI R 1/13, BFH/NV 2015, 15).

2. Hier könnte der Kindergeldanspruch auch auf einen fehlenden Ausbildungsplatz gestützt werden (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG). Allerdings muss sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühen und dieses konkrete Bemühen (pauschale Beteuerungen genügen nicht) belegbar glaubhaft machen. Auch hier gilt, die Registrierung als Ausbildungsuchender ist zwar ein Indiz, hat aber keine echte Tatbestandswirkung. § 38 Abs. 4 SGB III verlangt grundsätzlich die Ausbildungsvermittlung, bis "die Vermittlung … erledigt" ist, ohne dass das Kind – so die alte Rechtslage – alle drei Monate sein Ausbildungsinteresse bekunden muss.

3. Die FG-Entscheidung war aufzuheben, nachdem diese auf die fehlende Registrierung als arbeitslos und ausbildungsplatzsuchend abgestellt hatte. Im zweiten Rechtsgang kommt es nun auf die Ergebnisse der angebotenen Beweise zur Frage der Meldung als Arbeit‐ oder Ausbildungsuchender an; ebenso, wann und wie lange dieser Status bestanden hatte. Hatte J insoweit die ihm obliegenden Pflichten erfüllt (§ 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III für die Arbeitsuche, § 38 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III für die Ausbildungsuche), indem er Auskünfte erteilt und ­Unterlagen vorgelegt hatte, insbesondere den an­geforderten "Arbeitspaket U25 – Beratungsbogen"? Auch J könnte noch als Zeuge zu seinen Bemühungen um die Ausbildungsplatzsuche zu vernehmen sein.

4. Nachdem das FG im ersten Rechtsgang Beweisanträge teilweise als unsubstanziiert zurückgewiesen hatte, verwies der BFH auch insoweit auf die Rechtsmaßstäbe. So genügt z.B. die Behauptung, J habe sich bei sechs mit vollem Namen und Anschriften konkret bezeichneten Unternehmen persönlich und bei weiteren drei, ebenfalls konkret bezeichneten Unternehmen schriftlich um einen Ausbildungsplatz beworben. Ein ordnungsgemäß gestellt...

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