Leitsatz

1. Der für die Zusammenfassung einzelner Ausbildungsabschnitte zu integrativen Teilen einer einheitlichen Ausbildung unter anderem notwendige enge zeitliche Zusammenhang ist nur dann gewahrt, wenn das Kind den nächsten Teil der mehraktigen Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt.

2. Der enge zeitliche Zusammenhang muss zwischen den Ausbildungsabschnitten bestehen. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Ende eines Freiwilligendienstes im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d des Einkommensteuergesetzes und dem Beginn eines weiteren Ausbildungsabschnitts genügt nicht.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c und d EStG 2009, § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG 2012

 

Sachverhalt

Die Tochter (T) des Klägers schloss im Sommersemester 2018 ihr Bachelorstudium ab. Der Kläger teilte daraufhin der Familienkasse mit, dass T die Ausbildung mit dem Masterstudium in diesem Fach fortführen wolle. Dann schob T von Oktober 2018 bis Mai 2019 ein freiwilliges soziales Jahr ein und ging von Juli bis September 2019 einer 25 Wochenstunden umfassenden Aushilfstätigkeit nach. Im Juli 2019 wurde sie zum Masterstudium zugelassen, das sie im Oktober 2019 begann. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für die Zeit der Aushilfstätigkeit (Juli bis September 2019) auf, da es die Erwerbstätigkeit als zu umfangreich ­bewertete. Das FG (Hessisches FG, Urteil vom 5.6.2020, 5 K 34/20, Haufe-Index 15287947) gab der dagegen gerichteten Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH hob auf die Revision der Familienkasse das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. T sei von Juli bis September 2019 zwar grundsätzlich kindergeldrechtlich zu berücksichtigen, da sie in dieser Zeit auf den zugesagten Studienplatz gewartet habe (§ 63 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG). Allerdings sei der Kindergeldanspruch nach § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG ausgeschlossen, da T mit dem Bachelorabschluss ihr Erststudium abgeschlossen habe und einer Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgegangen sei. Das Bachelorstudium könne nicht mit dem Masterstudium zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden, da T das Masterstudium nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgenommen, sondern sich für die Zwischenschaltung des Freiwilligendienstes entschieden habe. Der enge zeitliche Zusammenhang werde nicht allein dadurch gewahrt, dass sich T schon vor dem Freiwilligendienst für die Fortsetzung ihrer Ausbildung mit dem Masterstudium entschieden und dies der Familienkasse mitgeteilt habe. Auch sei der Freiwilligendienst selbst nicht als Ausbildung zu werten und könne damit auch nicht als Teil einer einheitlichen Erstausbildung behandelt werden.

 

Hinweis

1. Für volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besteht u.a. dann ein Anspruch auf Kindergeld, wenn sie sich in einer Ausbildung oder einer Übergangszeit von maximal 4 Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder einem Ausbildungsabschnitt und einem Wehr-/Zivil-/Freiwilligendienst befinden, wenn sie eine Ausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen können oder wenn sie einen vom Gesetz näher umschriebenen Freiwilligendienst ableisten (§ 63 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis d EStG).

2. Alle vorgenannten Berücksichtigungstatbestände stehen nach § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG unter dem Vorbehalt, dass das Kind nach Abschluss einer Erstausbildung bzw. eines Erststudiums kindergeldrechtlich nicht mehr berücksichtigt wird, wenn es einer Erwerbstätigkeit von regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden nachgeht. Hat das Kind dagegen noch keine Erstausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen, ist der Umfang einer neben dem Berücksichtigungstatbestand ausgeübten Erwerbstätigkeit ohne Bedeutung, es sei denn die Ernsthaftigkeit der Durchführung der Ausbildung ist dadurch nicht mehr gewährleistet (Problem: Schein-/Pro-Forma-Studium).

3. Der Abschluss eines Ausbildungsabschnitts mit einer Prüfung und einem berufsqualifizierenden Zeugnis muss nicht notwendigerweise zugleich den Abschluss der Erstausbildung oder des Erststudiums darstellen. Vielmehr können auch mehrere Ausbildungsabschnitte zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden. Das ist insbesondere bei den heutigen Kombinationen Bachelor-/Masterstudium der Fall, die früher z.B. noch ein einheitliches Diplomstudium darstellten. Aber auch eine Kombination aus Berufsausbildung (z.B. Programmierer) und Studium (Informatik) kann eine einheitliche Erstausbildung sein. Voraussetzung ist, dass ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten besteht.

4. Der enge sachliche Zusammenhang ergibt sich aus der Zuordnung der Ausbildungsabschnitte zum in etwa selben Fachgebiet. Der enge zeitliche Zusammenhang muss zwischen den Ausbildungsabschnitten bestehen. Es reicht nicht, dass er nur zwischen einem Ausbildungsabschnitt auf der einen und eine...

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