Leitsatz

Ein in Deutschland lebender und Unterhalt zahlender Vater kann bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer (1997) keinen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG abziehen, wenn die in österreich lebende Mutter dort für das gemeinsame Kind Kindergeld erhält, das höher ist als die Steuerersparnis des Vaters bei Abzug eines Kinderfreibetrags. Dies gilt unabhängig davon, ob das in österreich gezahlte Kindergeld die Höhe der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht des Vaters gemindert hat.

 

Normenkette

§ 31 EStG , § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG , § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG , § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG , § 65 Abs. 1 Satz 2 EStG , Art. 3 GG

 

Sachverhalt

Der Vater des Kindes, das in österreich bei seiner Mutter lebte, war in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Er zahlte jährlich den für das Kind geschuldeten Unterhalt. Die Mutter erhielt Familienbeihilfe nach österreichischem Recht.

Das FA setzte die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung eines Kinderfreibetrags fest, weil nach der gem. § 31 Satz 4 EStG vorzunehmenden Günstigerprüfung die steuerliche Freistellung bereits durch die österreichische Familienbeihilfe in vollem Umfang bewirkt sei.

 

Entscheidung

FG (EFG 2001, 697) und BFH schlossen sich dieser Beurteilung an. Der Kinderfreibetrag bei einem in Deutschland einkommensteuerpflichtigen Elternteil entfalle, wenn für das Kind in österreich Kindergeld gezahlt werde. Denn die österreichische Familienbeihilfe sei eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung. Die sog. Günstigerrechnung führe zu keinem anderen Ergebnis, weil die Steuerentlastung des Klägers niedriger wäre als das in österreich gezahlte Kindergeld. Die Anrechnung lediglich der Hälfte des Kindergeldes bei der Günstigerrechnung führe zu einer Doppelbegünstigung beim Kläger und sei deshalb mit dem Zweck des Gesetzes nicht vereinbar.

Da das Kind nach österreichischem Recht Anspruch auf Kindergeld habe, könnten die Unterhaltsaufwendungen für das Kind auch nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.

 

Hinweis

Wer in Deutschland steuerpflichtig ist, erhält nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich einen Kinderfreibetrag in Höhe des nach § 32 Abs. 6 EStG für das jeweilige Kalenderjahr bestimmten Existenzminimums des Kindes auch dann, wenn das Kind im Ausland lebt. Das gilt auch, wenn das Kind bei einem Elternteil im Ausland lebt, der nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG: Kinderfreibetrag ohne Kürzung). Allerdings ist zu beachten, dass der Abzug ausgeschlossen ist, wenn das Kind im Ausland Leistungen erhält, die dem deutschen Kindergeld vergleichbar sind.

Es war deshalb auch im Streitfall zuerst zu prüfen, ob die der Mutter des Kindes in österreich gezahlte Familienbeihilfe dem deutschen Kindergeld vergleichbar ist. Das hat der BFH u.a. mit dem Hinweis auf Regelungen der Europäischen Gemeinschaften zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf zu- und abwandernde Arbeitnehmer und Selbstständige bejaht. Dass die Leistung im Ausland an den dort lebenden Elternteil gezahlt wird, ist für die Anrechnung unerheblich; § 65 Abs. 1 Satz 2 EStG stellt nur darauf ab, dass die dem Kindergeld vergleichbare Leistung für das Kind erbracht wird.

Es ist dann allerdings weiter zu prüfen, ob die dem Kindergeld vergleichbare Leistung im Ausland einen Betrag erreicht, der nach deutschem Einkommensteuerrecht das Existenzminimum des Kindes von der Steuer freistellt ( sog. Günstigerrechnung). Ist der Betrag geringer, wird der Steuerfreibetrag unter Hinzurechnung des Kindergeldes zur Einkommensteuer gewährt. Erreicht er das Existenzminimum oder ist er höher, ist die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes durch das Kindergeld bewirkt (§ 31 Satz 1 2. Alternative EStG), wobei die dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Leistung höchstens in Höhe des deutschen Kindergeldes anzusetzen ist (§ 31 Satz 6 – jetzt Satz 7 – EStG).

Man könnte noch daran denken, dem in Deutschland lebenden steuerpflichtigen Elternteil wenigstens den halben Kinderfreibetrag zu gewähren, weil er die Unterhaltsleistungen für das Kind aus seinem steuerpflichtigen Einkommen erbringt. Das würde jedoch eine einschränkende Auslegung der vom Gesetz vorgesehenen Günstigerrechnung voraussetzen, zu der der BFH keinen Anlass sah. Der Zweck, das Existenzminimum des Kindes freizustellen, ist mit der Zahlung des Kindergeldes im Ausland erfüllt; eine weitergehende steuerrechtliche Berücksichtigung des Kindes würde eine Doppelbegünstigung bedeuten. Deshalb können die Unterhaltszahlungen auch nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.8.2002, VIII R 53/01

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