Leitsatz

Die Abgabe von Speisen und Getränken in einem Musical-Theater ist keine steuerbefreite Nebenleistung zur Theatervorstellung.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 20 Buchst. a UStG, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n, Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb ein Musicaltheater, das von der übrigen Stadt nur nach einer längeren Fahrt zu erreichen war.

Zu dem Theater gehörte ein zunächst verpachteter, dann aber von der Klägerin selbst bewirtschafteter Gastronomiebetrieb (Theaterrestaurant, Snackbar und – nur mit Getränken – Foyerbars).

Die Snack- und Foyerbars öffneten zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn, waren während der Vorstellung mit Ausnahme der Vorstellungspause geschlossen und schlossen regelmäßig eine Stunde nach Vorstellungsende.

Der Gastronomiebereich war für jedermann zugänglich. Die Klägerin verwies auf die Üblichkeit der Leistungen und die fehlende Konkurrenz unmittelbar vor Ort.

 

Entscheidung

Die Revision hatte keinen Erfolg; der BFH wies zusätzlich darauf hin, dass die Restaurationsumsätze absolut und relativ ein eigenständiges Gewicht hatten und dass allein der weite Weg aus der Stadt zum Theaterrestaurant nicht schon rechtfertigte, den Wettbewerb mit anderen Gastronomiebetreibern zu ignorieren.

 

Hinweis

Streitig war, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Abgabe von Speisen und Getränken in Theatern als Nebenleistung von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG erfasst werden. Die ähnliche Frage betreffend den Verkauf von Getränken an Besucher in einem Verzehrkino hatte der BFH bereits verneint (BFH, Urteil vom 14.5.1998, V R 85/97, BStBl II 1999, 145). Ein FG sah noch Klärungsbedarf.

Die Besprechungsentscheidung schafft nun Klarheit; sie berücksichtigt die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des EuGH zu den Befreiungsvorschriften der 6. EG-RL – diese sind eng auszulegen – sowie Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-RL.

Nach dieser Bestimmung können bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen erbracht werden, von der Steuer befreit werden.

1. Keine Lieferung, sondern eine einheitliche sonstige Leistung liegt vor, wenn die Abgabe von Speisen und Getränken – anders als beim Verkauf "über die Ladentheke" – mit zusätzlichen Dienstleistungen verbunden ist. Schon dies steht einer Einbeziehung in die Steuerbefreiung entgegen.

2. Zu beachten ist bei der Auslegung insbesondere auch Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-RL; danach sind von der in Abs. 1 Buchst. b), g), h), i), l), m) und n) vorgesehenen Steuerbefreiung Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn sie

  • zur Ausübung der Tätigkeiten, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind oder
  • im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.

3. Die in § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG nicht näher beschriebenen Umsätze der Theater sind bei richtlinienkonformer Auslegung deshalb nur die typischen Theaterleistungen einschließlich der damit eng verbundenen Nebenleistungen. Um Letztere handelt es sich – anders als z.B. beim Verkauf von Kulissen oder Theaterkostümen – bei Gastronomieleistungen nicht.

4. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen; entscheidend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers.

Gastronomieumsätze im für jedermann zugänglichen Gastronomiebereich eines Theaters, insbesondere auch der Betrieb eines für jedermann zugänglichen Restaurants, haben aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers einen eigenen vom Theaterbesuch unabhängigen Zweck: Sie sind zur Durchführung kultureller Dienstleistungen wie Theater oder Musicalaufführungen aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers für die Theateraufführung nicht unerlässlich. Zwar ist die Abgabe von kleinen Speisen, Getränken und Süßwaren an Theaterbesucher nach den heutigen Anforderungen an den äußeren Rahmen einer Theaterveranstaltung üblich und wird vom Besucher erwartet.

Das allein rechtfertigt jedoch nicht schon deren Beurteilung als Nebenleistung zu einer nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG befreiten Leistung.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.8.2005, V R 20/03

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