Leitsatz

Die Organschaft setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers voraus.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, Art. 11 und Art. 13 EG-RL 112/2006

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, erbrachte Personalgestellungsleistungen an ihre Alleingesellschafterin, eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die diese für Zwecke ihrer hoheitlich wahrzunehmenden Aufgaben verwendete. Das Finanzamt ging von steuerpflichtigen Leistungen aus. Die Klage zum Finanzgericht (FG des Saarlandes vom 18.11.2014, 1 K 1480/12, Haufe-Index 7619093, EFG 2015, 683) hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Die GmbH sei nicht Organgesellschaft, da sie mangels Unternehmereigenschaft ihres Gesellschafters nicht in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert sei.

 

Hinweis

1. Die Organschaft verlangt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers. Die Organschaft soll der Verwaltungsvereinfachung dienen.

Zur Unternehmenseigenschaft des Organträgers hatte der BFH bereits entschieden, dass es sich hierbei um eine Voraussetzung der Organschaft handelt, sodass es nicht ausreicht, dass ein Unternehmen beim Organträger erst aufgrund der Organschaft vorliegt (BFH, Urteil vom 9.10.2002, V R 64/99, BStBl II 2003, 375, BFH/NV 2003, 128).

2. Das Unionsrecht stellt für die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen in Art. 11 EG-RL 112/2006 (MwStSystRL) lediglich auf eine Verbindung mehrerer Personen ab. Diese Zusammenfassung soll gleichfalls der Verwaltungsvereinfachung und darüber hinaus auch der Missbrauchsverhinderung dienen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es mit diesen Zielen vereinbar, auch einen Nichtsteuerpflichti­gen (Nichtunternehmer) in die Zusammenfassung ("Mehrwertsteuergruppe") einzubeziehen. Es sei nicht auszuschließen, dass die Einbeziehung von Nichtunternehmern zur Erreichung dieser Ziele beitrage. Sollte die Einbeziehung von Nichtunternehmern zu Missbräuchen führen, seien die Mitgliedstaaten aber berechtigt, diese von der Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen auszuschließen (EuGH, Urteil vom 9.4.2013, C–85/11, Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Haufe-Index 3680582).

3. Der BFH lehnt eine geänderte Sichtweise aus Gründen des Unionsrechts ab. Maßgeblich sind dabei für den BFH die mit der Organschaft verfolgte Ziele der Verwaltungsvereinfachung und der Missbrauchsabwehr.

a) Die Organschaft kann der Verwaltungsvereinfachung z.B. dadurch dienen, dass nur eine statt mehrerer Steuererklärungen abzugeben ist oder dass Leistungen zwischen den Unternehmen des Organkreises nicht steuerpflichtig sind, dies aber im Hinblick auf einen beim Leistungsempfänger ansonsten bestehenden Vorsteuerabzug im Ergebnis ohne Bedeutung ist.

Dem Vereinfachungscharakter der Organschaft entspricht demgegenüber nicht der Eintritt von Rechtsfolgen, die sich nur aufgrund der Organschaft, nicht aber auch ohne sie ergeben. So rechtfertigt es die angestrebte Verwaltungsvereinfachung nicht, von einer Nichtbesteuerung von Innenleistungen zwischen Personen des Organkreises auch dann auszugehen, wenn der Leistungsempfänger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

b) Damit stellt sich die Frage, ob eine Organschaft unter bestimmten Voraussetzungen als missbräuchlich anzusehen sein kann.

aa) Die Annahme eines Missbrauchs erfordert insbesondere, dass mit Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird, die der mit der jeweiligen Regelung verfolgten Zielsetzung zuwiderläuft (vgl. EuGH, Urteil vom 21.2.2006, C–255/02, Halifax, EU:C:2006:121, BFH/NV Beilage 2006, 260).

bb) Als missbräuchlich sieht es der EuGH im Zusammenhang mit Art. 11 EG-RL 112/2006 "z.B. die Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen [an], um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen". Dem soll Art. 11 EG-RL 112/2006 entgegenwirken (EuGH, Urteil vom 16.7.2015, C–108/14, Larentia, Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496, Rz. 40, BFH/NV 2015, 1549), und EuGH, Urteil vom 9.4.2013, C–85/11, Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz. 47, Haufe-Index 3680582).

c) Hieraus leitet der BFH ab, dass neben der Aufspaltung auch die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen selbst missbräuchlich sein kann, wenn sie nicht bloßen Vereinfachungscharakter hat, sondern dazu dient, "in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen". Diese ergibt aus der aufgrund der Organschaft folgenden Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen zwischen den organschaftlich zusammengefassten Personen, sodass das Entstehen einer nach § 15 UStG nicht abziehbaren Vorsteuer vermieden werden kann.

d) Hieraus ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen:

aa) Geht es um die Einbeziehung von Nichtunternehmern in den Organkreis, rechtfertigen unionsrechtlich sowohl Vereinfachungszweck als auch Missbrauchsabwehr die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, die organschaftliche Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen auf die Personen zu beschränken, die Unternehmer sind. Für den Organträger ergibt s...

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