Leitsatz

Die Festsetzungsfrist für den Erlass eines Haftungsbescheids ist gem. § 191 Abs. 3 S. 2 2. Halbs. AO bei leichtfertiger Steuerverkürzung nur in den Fällen auf fünf Jahre verlängert, in denen die Haftungsinanspruchnahme auf § 70 AO beruht, nicht aber für jeden Fall der Haftung, dem eine leichtfertige Steuerverkürzung zugrunde liegt, also auch nicht bei der Haftung gem. § 69 AO (Klarstellung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 34, § 69, § 70, § 71, § 169, § 191 Abs. 3, § 370, § 378 AO, § 11 Abs. 3 FGO

 

Sachverhalt

Der Geschäftsführer einer vermögenslos gewordenen GmbH wird wegen deren USt-Rückständen gem. § 69 AO in Haftung genommen, obwohl die regelmäßige vierjährige Festssetzungefrist abgelaufen ist. Ihm wird vom FA vorgeworfen, die Steuer leichtfertig verkürzt zu haben, weshalb vorgenannte Frist auf fünf Jahre verlängert sei.

Das FG gab dem Kläger Recht (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.05.2007, 1 K 634/03, Haufe-Index 1770533).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG und hat den Haftungsbescheid aus vorgenannten Gründen aufgehoben.

 

Hinweis

§ 191 Abs. 3 S. 2 AO regelt die Länge der Festsetzungsfrist für Haftungsbescheide eigenständig. Sie beträgt regelmäßig vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre (so § 191 Abs. 3 S. 2 AO). Bezieht sich das "bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre" auf die Fälle des § 70 AO (also den Fall der Inanspruchnahme des Vertretenen) oder stellt es einen eigenständigen Satzteil dar, so dass die 5-Jahres-Frist auch dann gilt, wenn der Vertreter eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen hat?

So hat der BFH in seinem Beschluss vom 07.02.2002, V B 86/01, BFH/NV 2002, 755 die Vorschrift verstanden: Der Erlass eines auf §§ 69, 34 AO gestützten Haftungsbescheids gegen den Geschäftsführer einer GmbH während des fünften Jahres nach Verwirklichung des Haftungstatbestands ist noch rechtzeitig, wenn der Geschäftsführer die USt leichtfertig verkürzt hat (§ 378 AO). Anders jetzt der VII. Senat, im Wesentlichen mit Argumenten aus dem Wortlaut (über die man gerne streiten wird) und den Motiven des Gesetzgebers.

Auch der VII. Senat räumt freilich ein, dass es nicht einleuchtet, dass die eigentlichen Täter, nämlich die Vertreter, bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach den Vorschriften der §§ 69, 34 AO nur vier Jahre, die Vertretenen nach § 70 AO bei leichtfertiger Steuerverkürzung ihrer Vertreter aber fünf Jahre lang in Haftung genommen werden können. Also ist wohl wieder einmal der (schon arg strapazierte) Steuergesetzgeber aufgerufen, die Dinge gerade zu rücken…

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.04.2008, VII R 21/07

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