Leitsatz

1. Die Art. 56 und 58 EG stehen einer Regelung nicht entgegen, nach der ein Mitgliedstaat gebietsfremden Steuerpflichtigen, deren Vermögen im Wesentlichen in ihrem Wohnsitzstaat belegen ist, die Vergünstigungen eines Freibetrags versagt, die er den gebietsansässigen Steuerpflichtigen gewährt.

2. Es verstößt nicht gegen Art. 56 und 58 EG, dass eine Vorschrift eines bilateralen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in einer Situation und unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht auf den Staatsangehörigen eines nicht an diesem Abkommen beteiligten Mitgliedstaats erstreckt wird.

 

Normenkette

Art. 56, 58 EG

 

Sachverhalt

Es ging darum, dass der in Deutschland wohnende Herr D. mit seinem niederländischen Immobilienvermögen in den Niederlanden der VSt unterlag, ohne denjenigen Freibetrag zu erhalten, den entweder Personen mit 90 % ihres Vermögens in den Niederlanden oder Abkommensberechtigte des belgisch-niederländischen DBA für Vermögen in den Niederlanden erhalten.

Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht war damit fraglich, ob Herr D., entweder im Vergleich zu in den Niederlanden ansässigen Personen, die dort regelmäßig über den überwiegenden Teil ihres Vermögens verfügen, diskriminiert wird, oder gegenüber in Belgien ansässigen Personen, die Vermögensbestandteile in den Niederlanden unterhalten.

 

Entscheidung

Der EuGH, dem die Rechtssache auf Vorabentscheidungsersuchen des niederländischen Gerechtshof s"Hertogenbosch vorlag, verneinte beide ihm vorgelegten Fragen im Sinne der Leitsätze.

 

Hinweis

1. Seit geraumer Zeit wurde und wird heftig darum gestritten, ob es eine europarechtlich gebotene Meistbegünstigung gibt:

Kann ein Steuerausländer, der inländische Aktivitäten entwickelt (sog. Inbound-Fall) und mit diesen beschränkt steuerpflichtig ist, sich auf Steuervorzüge berufen, die zwar nicht dasjenige DBA zwischen seinem Ansässigkeits- und dem Quellenstaat für ihn bereit hält, welches ihn abkommensberechtigt sein lässt, jedoch ein anderes DBA, das der Quellenstaat mit einem Drittstaat geschlossen hat? Dieselbe Frage stellt sich für den Steuerinländer, der im Ausland wirtschaftlich tätig wird (sog. Outbound-Fall) und der Steuerbegünstigungen erstrebt, die ein Drittstaaten-DBA offeriert, wiederum nicht indes dasjenige DBA, das zwischen "seinem" Ansässigkeits- und Quellenstaat abgeschlossen wurde.

2. Der EuGH macht hier jegliche Steuerhoffnungen zunichte. Er hatte dabei (nur) über die erste Konstellation des Inbound-Falls zu dezidieren:

Zunächst: Der EuGH bestätigt in (etwas in literarischen Misskredit geratene) "Schumacker-Doktrin":

Der Gebietsfremde, der im Inland nur über einen geringen Teil seines Vermögens (oder seiner Einkünfte) verfügt (nämlich nur über 10 %), befindet sich gegenüber einem inländischen Vermögensinhaber oder Einkünfteerzieler in einer nicht vergleichbaren Situation. Folglich sei es im Grundsatz auch – alleinige – Sache des Ansässigkeitsstaats, "seinem" Gebietsansässigen etwaige steuerliche Grundfreibeträge (u.a. Vorteile aufgrund persönlicher Merkmale) zu gewähren, nicht aber sei das Sache des Quellenstaats.

Der Gebietsfremde aus dem Staat A (hier Deutschland) befindet sich danach nicht mit einem Gebietsfremden aus dem Staat B (hier Belgien) in einer vergleichbaren Situation, weil die Rechte und Pflichten des Drittstaaten-DBA (hier DBA Belgien-Niederlande) nur solche Personen betreffen können, die in einem der vertragsschließenden Staaten ansässig sind (Tz. 60 f. des Urteils). Überdies verbiete es die allgemeine Ausgewogenheit des Drittstaaten-DBA, eine (begünstigende) Abkommensvorschrift isoliert aus dem Gesamtgefüge dieses DBA herauszulösen. Es sei Sache der bilateralen völkerrechtlichen Vereinbarung, das Steuersubstrat zu verteilen, dies aber nur zwischen den Vertragspartnern und unter Ausschluss von Drittstaatenangehörigen.

3. In ersten Reaktionen wird diesem Diktum gegen die Meistbegünstigung für die in Rede stehende Konstellation zwar beigepflichtet, seine Reichweite wird allerdings aus berufenem Mund (Rödder/Schönfeld, IStR 2005, 523) sogleich wieder relativiert:

(1) In dem nur für Abkommensberechtigte des belgisch-niederländischen DBA eröffneten VSt-Freibetrag sei, so wird geltend gemacht, im Grundsatz keine Verletzung der EG-Grundfreiheiten (Diskriminierungsverbote) zu erblicken. Denn auch wenn der ausländische Investor dadurch im Quellenstaat gegenüber einem Einheimischen steuerlich schlechter behandelt werde, so beeinflusse dies doch lediglich dessen Investitionsentscheidung und richte sich in der Zielrichtung nur gegen den "Marktzugang" des Quellenstaats. Dieser schade sich durch die zu hohe Zugangssteuer letzten Endes lediglich selbst.

Erste Beurteilung dieses Verständnisses: Es ist nur schwer zu akzeptieren und kann nur als "very sophisticated" bezeichnet werden. Denn eine Schlechterstellung des Ausländers gegenüber einem Inländer liegt gemessen an den Diskriminierungsverboten mit einiger Gewissheit vor. Nur dass diese Ungle...

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