Leitsatz

1. Erleidet ein nichtselbstständig tätiger Steuerpflichtiger mit seinem privaten Pkw auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Unfall und veräußert er das Unfallfahrzeug in nicht repariertem Zustand, bemisst sich der als Werbungskosten abziehbare Betrag nach der Differenz zwischen dem rechnerisch ermittelten fiktiven Buchwert vor dem Unfall und dem Veräußerungserlös.

2. Die telefonische Auskunft einer Sachbearbeiterin löst keine Bindungswirkung gegenüber dem Steuerpflichtigen aus.

 

Normenkette

§ 7 Abs. 1 Satz 1 und Satz 6 (heute Satz 7), § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Nr. 7 EStG a.F.

 

Sachverhalt

Einem Richter entstand bei einem Verkehrsunfall auf der Rückfahrt vom Gericht nach Hause an seinem Kfz erheblicher Sachschaden. Er verkaufte das Kfz vier Tage später in unrepariertem Zustand. Zuvor hatte er auf seine Anfrage von der für ihn zuständigen Sachbearbeiterin des FA die telefonische Auskunft erhalten, er könne als Werbungskosten den Differenzbetrag zwischen dem Zeitwert des Wagens vor dem Unfall und dem Zeitwert des Kfz nach dem Unfall geltend machen.

Bei der Veranlagung ließ das FA entgegen der Steuererklärung die Unfallkosten unberücksichtigt. Die nicht reparierten Unfallschäden seien nur als AfaA zu berücksichtigen. Eine solche komme aber nicht mehr in Betracht, weil das Kfz im Unfallzeitpunkt rechnerisch bereits vollständig abgeschrieben gewesen sei.

Das FG wies die Klage als unbegründet ab (FG München, Urteil vom 27.5.2008, 13 K 2693/06, Haufe-Index 2191227, EFG 2009, 1747).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Bei der Ermittlung der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus nicht selbstständiger Arbeit sei der Wertverlust seines Pkw in Höhe der Differenz zwischen den Zeitwerten vor und nach dem Unfall nicht als Werbungskosten abzuziehen. Der Kläger könne eine abweichende Bemessung des erlittenen Schadens nach Maßgabe der früheren Rechtsprechung weder aufgrund einer unzutreffenden telefoni­schen Auskunft der Sachbearbeiterin des FA noch aufgrund eines Folgenbeseitigungsanspruchs erreichen.

Im Einzelnen wird auf die Praxis-Hinweise verwiesen.

 

Hinweis

1. Erleidet ein nichtselbstständig tätiger Steuerpflichtiger mit seinem privaten Pkw auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Unfall, so kann er den dadurch entstandenen Schaden als durch die Einkünfteerzielung aus nichtselbstständiger Arbeit veranlassten Fahrtaufwand nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehen.

2. Dieser Abzug ist aber – wenn das Fahrzeug nach dem Unfall ohne Reparatur veräußert wird – nicht mit der Differenz zwischen den Wiederbeschaffungswerten für den Pkw vor und nach dem Unfall zu bemessen, sondern mit der Differenz zwischen dem rechnerischen Buchwert vor dem Unfall (Anschaffungskosten abzüglich AfA) und dem Veräußerungserlös.

Dies folgt aus der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG zur Abziehbarkeit von "Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung und erhöhte Absetzungen" als Werbungskosten.

a) Die Vorschrift nimmt damit zum einen für die AfA auf § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG Bezug. Danach ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung zur Einkünfteerzielung sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr – wie bei Kraftfahrzeugen – erstreckt, jeweils für ein Jahr (nur) der Teil der Anschaffungs- und Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt.
b)

Zum anderen nimmt sie durch ihren Verweis auf "erhöhte Absetzungen" auf die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 6 EStG (heute § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG) zur Zulässigkeit einer AfaA Bezug.

aa) Diese AfaA ist aufgrund des systematischen Zusammenhangs mit der AfA-Regelung in Satz 1 der Vorschrift nach dem Wert zu bestimmen, um den der im Jahr des Schadeneintritts vorhandene Restbuchwert des geschädigten Wirtschaftsguts durch das schädigende Ereignis gemindert wird.
bb) Für ein bereits nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG abgeschriebenes Kfz kommt danach eine AfaA nicht mehr in Betracht.

3. Die frühere Rechtsprechung des BFH, wonach die Differenz zwischen Zeitwert vor und nach dem Unfall als Werbungskosten abgezogen werden konnte, ist durch neuere Rechtsprechung auch im Bereich der Überschusseinkünfte überholt.

4. Eine von dieser neueren Rechtsprechung abweichende Bemessung des erlittenen Schadens nach Maßgabe der früheren Rechtsprechung kann der Steuerpflichtige weder aufgrund einer unzutreffenden telefonischen Auskunft der Sachbearbeiterin des FA noch aufgrund eines Folgenbeseitigungsanspruchs geltend machen.

a) Für eine Bindung des FA an die telefonische Auskunft seiner Sachbearbeiterin fehlt es an der nach ständiger Rechtsprechung erforderlichen Erteilung der Auskunft durch den zuständigen Sachgebietsleiter oder Vorsteher des Finanzamts.
b) Der Steuerpflichtige kann nach einer fehlerhaften telefonischen Auskunft der Sachbearbeiterin den Abzug der Unfallkosten auch nicht auf einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch stützen. Einen "f...

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