Leitsatz

Die Art. 2 Nrn. 1 und 9 Abs. 1 der 6. EG-RL sind dahin auszulegen, dass eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, die kein von dem Unternehmen, zu dem sie gehört, verschiedenes Rechtssubjekt ist und der das Unternehmen Dienstleistungen erbringt, nicht aufgrund der Kosten, mit denen sie wegen der genannten Dienstleistungen belastet wird, als Steuerpflichtiger anzusehen ist.

 

Normenkette

Art. 2 Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-RL (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3a Abs. 1 UStG)

 

Sachverhalt

FCE IT war eine Niederlassung (ohne eigene Rechtspersönlichkeit) in Italien der im Vereinigten Königreich niedergelassenen Gesellschaft FCE Bank, deren Unternehmensgegenstand die Erbringung mehrwertsteuerfreier Tätigkeiten im Finanzbereich ist. FCE IT erhielt von der FCE-Bank Dienstleistungen in den Bereichen Beratung, Management, Personalaus- und -fortbildung, Datenverarbeitung sowie Bereitstellung und Betreuung von Anwendersoftware. Sie beantragte, gestützt auf Rechnungen, die sie sich selbst ausstellte (Gutschrift), erfolglos die Erstattung der MwSt. für diese Leistungen.

Fraglich war, ob die Belastung der Filiale mit den Kosten solcher Dienstleistungen unabhängig von ihrem Umfang und von der Erzielung eines Unternehmensgewinns als Gegenleistung für die erbrachten Dienstleistungen i.S.d. Art. 2 der 6. EG-RL angesehen werden kann. Nur dann ist USt für eine Leistung geschuldet und als VSt abziehbar.

 

Entscheidung

Der EuGH gab die im Leitsatz wiedergegebenen Entscheidungsdirektiven zur – maßgeblichen – Auslegung der Richtlinie. Er wies darauf hin, dass nach dem Ausführungen des Schlussantrags des Generalanwalts die Zweigniederlassung nicht selbst die wirtschaftlichen Risiken trage, die mit der Tätigkeit eines Kreditinstituts verbunden seien, wie dies z.B. bei Nichtrückzahlung eines Darlehens durch einen Kunden der Fall sei. Das Risiko laste auf der (Stamm-)Bank als juristischer Person, deren finanzielle Stabilität und Zahlungsfähigkeit deshalb im Herkunftsmitgliedstaat überwacht werde.

Denn als Zweigniederlassung verfüge FCE IT über kein Dotationskapital. Infolgedessen ruhe das mit der Wirtschaftstätigkeit verbundene Risiko vollständig auf der FCE-Bank. Es fehlte deshalb an einem anderen Steuerpflichtigen, an den entgeltliche Leistungen hätten erbracht werden können. Die in den Gutschriften ausgewiesene MwSt. darf danach – als nicht geschuldet – nicht abgezogen werden. Die Grundsätze gelten auch für umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Leistungen an eine Zweigniederlassung mit Kostenzurechnung.

 

Hinweis

„Der MwSt. unterliegen ... Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt (Art. 2 der 6. EG-RL; vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG).

Nach Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-RL gilt als ... Ort einer Dienstleistung ... der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.” (vgl. § 3a Abs. 1 UStG).

Die Besprechungsentscheidung betrifft die Frage, inwieweit Dienstleistungen, die ein im Vereinigten Königreich niedergelassenes Unternehmen gegenüber seiner italienischen Niederlassung erbracht hat, in den Anwendungsbereich der 6. EG-RL fallen, wenn die Niederlassung mit den Kosten belastet wird. Ist eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, die kein von dem Unternehmen, zu dem sie gehört, verschiedenes Rechtssubjekt ist und der das Unternehmen Dienstleistungen erbringt, aufgrund der Kosten, mit denen sie wegen der genannten Dienstleistungen belastet wird, als Steuerpflichtiger (Art. 2 Nr. 1 und 9 Abs. 1 der 6. EG-RL) anzusehen?

1. Wie auch immer: Das OECD-Abkommen – das hier ins Spiel gebracht wurde, weil die Niederlassung in Italien, das Stammunternehmen aber im Vereinigten Königreich ansässig war – betrifft nur die direkten Steuern, nicht dagegen die indirekten Steuern wie die MwSt.: Honig für umsatzsteuerrechtliche Fragen ist daraus nicht zu saugen (vgl. Rd.Nr. 39).

2. Art. 4 der 6. EG-RL definiert den Begriff "Steuerpflichtiger". Darunter fallen die Personen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit "selbstständig" ausüben. Art. 4 Abs. 4 erläutert, dass der Begriff "selbstständig" Personen von der Besteuerung ausschließt, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch ein Rechtsverhältnis gebunden sind, das insbesondere hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft (vgl. EuGH, Urteil vom 6.11.2003 in den Rechtssachen C-78/02 bis C-80/02, Karageorgou u.a., BFH-PR 2004, 28).

3. Eine Leistung ist nur dann steuerbar, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden.

Zur Klärung der Frage, ob ein solches Rechtsverhältnis zwischen einem gebietsfremden Unterneh...

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