Leitsatz

Bezieht ein Steuerpflichtiger für eine Tätigkeit in einem Drittstaat steuerfreien Arbeitslohn, sind hiermit im Zusammenhang stehende Vorsorgeaufwendungen (im Streitfall Beiträge zur gesetzlichen Renten- sowie Arbeitslosenversicherung) nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG zur Vermeidung einer doppelten steuerlichen Berücksichtigung nicht als Sonderausgaben abziehbar. Das Verfassungsrecht verpflichtet den Gesetzgeber auch dann nicht, hiervon eine Ausnahme zu machen, wenn im Tätigkeitsstaat keine steuerliche Entlastung für die Aufwendungen gewährt wird.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a, Nr. 3a, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsätze 1 und 2 EStG, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 45 AEUV, § 107 FGO

 

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer E wurde von seinem inländischen Arbeitgeber zeitlich befristet nach China entsandt. E behielt seinen inländischen Wohnsitz bei. Von seinem im Streitjahr 2016 bezogenen Arbeitslohn entfielen 88 % auf die in China und 12 % auf die im Inland ausgeübte Tätigkeit. Dementsprechend stellte das FA aufgrund des Art. 15 DBA China den Arbeitslohn zu 88 % unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts frei. Die Beiträge des E zur DRV sowie zur Versicherung gegen Arbeitslosigkeit erkannte es nur mit einem Anteil von 12 % als Sonderausgaben an, da die Vorsorgeaufwendungen mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden. E meint demgegenüber, der inländische Sonderausgabenabzug dürfe nicht gekürzt werden, weil er bei der Besteuerung seines Arbeitslohns in China die Vorsorgeaufwendungen nicht habe abziehen dürfen. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 14.6.2021, 1 K 73/19, Haufe-Index 14692124).

 

Entscheidung

Die Revision war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen unbegründet.

 

Hinweis

Die (Nicht-)Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit Einkünften anfallen, die nach einem DBA von der inländischen Besteuerung freigestellt sind, war bereits mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. Das Besondere an diesem Urteil ist, dass es sich nicht um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt im Verhältnis zu einem EU-/EWR-Mitgliedstaat oder zur Schweiz handelt, sondern dass die Beiträge im Zusammenhang mit aus einem Drittstaat bezogenen steuerfreien Einnahmen geleistet wurden. Damit musste zwar nicht das Unionsrecht beachtet werden, es stellten sich aber verfassungsrechtliche Fragen.

1. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG schließt den Abzug u.a. der Altersvorsorgeaufwendungen, der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und auch der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung als Sonderausgaben aus, wenn diese in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Durch diese Regelung soll ein ansonsten eintretender doppelter steuerlicher Vorteil vermieden werden.

2. Dass die künftigen Leistungen aus der Rentenversicherung als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG im Inland steuerpflichtig sind, ändert daran nichts, da allein auf die Einnahmen abzustellen ist, aus denen die Vorsorgeaufwendungen stammen. Deshalb ist es auch unerheblich, dass einer etwaigen künftigen Zahlung von Arbeitslosengeld wegen des Progressionsvorbehalts gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG steuersatzerhöhende Wirkung zukäme.

3. Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, Beiträge zur Arbeitslosenversicherung steuerlich freizustellen. Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums verpflichtet nur, Beiträge zu Versicherungen, die den Schutz des Lebensstandards des Steuerpflichtigen i.H.d. Existenzminimums gewährleisten, zum Abzug zuzulassen. Maßgebend für den Umfang der steuerlichen Verschonung von Versicherungsbeiträgen zur Sicherung des Existenzminimums ist der Leistungskatalog der Sozialhilfe gemäß § 8 SGB XII. Demgegenüber dient das Arbeitslosengeld nicht der Absicherung des Existenzminimums, sondern ist als Lohnersatzleistung ausgestaltet. Aus diesem Grund berühren Beiträge zu einer Versicherung gegen Arbeitslosigkeit nicht das subjektive Nettoprinzip.

4. Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgeaufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen im Zusammenhang stehen, ist mit verfassungsrechtlichen Vorgaben ebenfalls vereinbar. So ist das objektive Nettoprinzip nicht berührt, weil die Altersvorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung gesetzlich den Sonderausgaben zugeordnet wurden. Zudem enthält das nahezu gleichlautende – und verfassungsgemäße – Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG für Betriebsausgaben/Werbungskosten dieselbe einkommensteuerliche Rechtsfolge.

5. Auch das subjektive Nettoprinzip ist nicht verletzt. Die im Senatsbeschluss vom 18.12.1991, X B 126/91 (BFH/NV 1992, 382) geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 2 EStG, wenn der Steuerpflichtige bei einer grenzüberschreitenden Betätigung auch im Tätigkeitsstaat keinen steuerlichen Abzug für Vorsorge...

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