Leitsatz

Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache kann ein weiterer Vorläufigkeitsvermerk in den Bescheid, den das Finanzamt seiner vor dem Finanzgericht gegebenen Zusage entsprechend erlässt, nicht mehr aufgenommen werden.

 

Normenkette

§ 173 Abs. 1 AO , § 175 Abs. 1 AO , § 351 Abs. 1 AO , § 138 Abs. 1 FGO

 

Sachverhalt

Zwei zusammenveranlagte Eheleute erhoben Klage gegen ihre Einkommensteuerbescheide für 1996 und 1997. Im Rahmen eines Erörterungstermins vor dem FG machte die Vertreterin des FA die Zusage, den Klagen in beiden Streitpunkten (Werbungskosten für ein Arbeitszimmer; Anerkennung eines Ehegatten-Darlehens) weitgehend abzuhelfen. Die Kläger und das FA erklärten daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Gegen die entsprechend der Zusage geänderten Bescheide legten die Kläger erneut Einspruch mit dem Antrag ein, die Steuerfestsetzung hinsichtlich der begrenzten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen für vorläufig zu erklären. Nach Zurückweisung des Einspruchs durch das FA gab das FG der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH hob das finanzgerichtliche Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Kläger hätten keinen Anspruch darauf, dass die nach Hauptsacheerledigung ergangenen Bescheide um einen Vorläufigkeitsvermerk ergänzt würden. Durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen seien die Steuerfestsetzungen unanfechtbar und die Prozesslage abschließend gestaltet worden.

 

Hinweis

1. Wenn die Beteiligten eines finanzgerichtlichen Verfahrens den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, weil das FA zugesagt hat, einen Änderungsbescheid zu erlassen, so ist es nach Treu und Glauben an diese Zusage gebunden. Das FA muss dann den Änderungsbescheid mit dem Inhalt, auf den sich Kläger und FA vor dem FG geeinigt haben, erlassen. In der Erledigungserklärung der Kläger wird man zwar keinen konkludenten Verzicht auf eine erneute Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den zu erlassenden Änderungsbescheid sehen können. Allerdings könnten die Kläger in einem erneuten Rechtsbehelfsverfahren allenfalls geltend machen, das FA habe in den Änderungsbescheiden den Inhalt der Einigung nicht richtig oder nicht vollständig umgesetzt. So lag der Fall hier allerdings nicht.

2. Im Streitfall brachten die Kläger im erneuten Anfechtungsverfahren ein neues und weitergehendes Begehren vor; denn auch in den ursprünglichen Bescheiden war ein Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen bislang nicht enthalten.

Selbst wenn man annimmt – was der BFH im Besprechungsfall ausdrücklich offen gelassen hat –, dass "die Änderung als Steuerbescheid wiederum anfechtbar ist", scheitert das neue Änderungsbegehren an der in § 351 Abs. 1 AO normierten Anfechtungsbeschränkung. Danach können nämlich Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht. Die erstmalige Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks würde aber über den insoweit gegebenen Änderungsrahmen hinausgehen.

3. Die in § 351 Abs. 1 AO zugelassene Ausnahme für den Fall, "dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt", liegt hier nicht vor. In Frage kommen könnte allenfalls eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 AO oder nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Die in diesen Bestimmungen enthaltenen Voraussetzungen lagen allerdings hier nicht vor; denn es waren – so der BFH – weder Tatsachen nachträglich bekannt geworden noch war ein rückwirkendes Ereignis eingetreten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.5.2003, XI R 21/02

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