Bei bargeldintensiven Betrieben, wie z. B. im Einzelhandel, in der Gastronomie, bei Bäckern und Friseuren, prüft die Finanzverwaltung regelmäßig die Kassenführung. Betriebsprüfer des Finanzamts nehmen Mängel in der Kassenführung häufig zum Anlass, die Buchführung zu verwerfen. Konsequenz ist, dass Umsätze und Gewinne um einen geschätzten Betrag erhöht bzw. in vollem Umfang geschätzt werden. Bei rund 90 % der bargeldintensiven Betriebe nutzt das Finanzamt festgestellte Mängel, um Umsätze und Gewinn durch Schätzung zu erhöhen.

 
Praxis-Beispiel

Betriebsprüfer schätzt Umsätze hinzu

Den Mitarbeitern eines Gastronomiebetriebs sind beim Bedienen der Kasse Eingabefehler unterlaufen. Der Betriebsprüfer nimmt diese Eingabefehler als Anlass, die umsatzstärksten Sommermonate auf alle übrigen Monate hochzurechnen. Dadurch ergeben sich hohe Mehreinnahmen, die tatsächlich nicht erzielt wurden.

6.1 Wann der Betriebprüfer Umsätze hinzuschätzen kann

Die Betriebsprüfer stützen sich bei ihrem Vorgehen in der Regel auf § 162 Abs. 1 Satz 1 AO, wonach die Finanzverwaltung die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen hat, soweit sie anderweitig nicht ermittelt werden können. Zu schätzen ist insbesondere dann,

  • wenn und soweit die Buchführung des Steuerpflichtigen oder die von ihm zu führenden Aufzeichnungen der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können oder
  • wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der Buchführung sprechen.

Da es fast normal ist, dass bei Bargeldkassen zumindest formelle Fehler unterlaufen, setzen Betriebsprüfer regelmäßig hier an. Sie nutzen oft auch nur geringfügige Fehler als "Einfallstor" für Schätzungen.

Dieses Vorgehen ist zumindest teilweise rechtswidrig, sodass es sinnvoll ist, dagegen vorzugehen. Um eine Schätzung (Hinzuschätzung) vornehmen zu können, müssen 2 Voraussetzungen gleichzeitig vorliegen:

  1. Die Buchführung bzw. Aufzeichnungen müssen zu beanstanden sein. Selbst wenn nur geringfügige Fehler vorliegen, macht es keinen Sinn, darauf zu bestehen, dass die Kassenführung ordnungsgemäß ist.
  2. Aus den Beanstandungen müssen sich Hinweise ergeben, dass die Buchführung unrichtig oder unvollständig ist. Es muss also festgestellt werden, wie sich die Fehler auswirken.

6.2 Formelle Fehler allein genügen nicht

Formelle Fehler, ohne Anhaltspunkte dafür, dass die Buchführung (Kasse) unrichtig oder unvollständig ist, reichen für eine Schätzung grundsätzlich nicht aus.[1] Bei formellen und auch bei unwesentlichen Fehlern sollte der Betriebsprüfer von sich aus klären, ob die Zweifel oder Unklarheiten, die sich aus den Fehlern ergeben, auf andere Art und Weise als durch eine Schätzung beseitigt werden können. Im Zweifel kann man vom Betriebsprüfer verlangen, dass er schriftlich darlegt, warum er in welcher Höhe Schätzungen vornimmt.

Der Betriebsprüfer darf geringfügige Fehler in der Kassenführung nicht zum Anlass nehmen, Einnahmen bzw. Umsätze willkürlich zu schätzen. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO, darf die Finanzverwaltung die Besteuerungsgrundlagen nur schätzen, "soweit" die Besteuerungsgrundlagen nicht durch die Betriebsprüfung ermittelt werden können. Die Gesetzesformulierung enthält ausdrücklich die Formulierung "soweit". Eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage, die darüber hinausgeht, ist rechtlich nicht zulässig.

Außerdem muss die Schätzung darauf ausgerichtet sein, die zutreffende Besteuerungsgrundlage zu ermitteln. Das heißt, die mittels Schätzung gefundenen Besteuerungsgrundlagen sollen die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln. Hier wird es dann regelmäßig Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt geben.

Eine Schätzung, die allein den umsatzstärksten Monat als Grundlage heranzieht, ist zumindest dann unzutreffend, wenn es dafür keine sachlichen Anhaltspunkte gibt. Man muss verlangen können, dass der Betriebsprüfer innerbetriebliche Betriebsvergleiche und anerkannte Schätzungsmethoden detailliert auf die jeweilige Betriebssituation anwendet und begründen kann.

Die Schätzung eines höheren Umsatzes ist z. B. nur dann gerechtfertigt, wenn auch der Wareneinkauf in den Vergleichsmonaten entsprechend höher liegt. Es kommt also entscheidend darauf an, ob der Warenumsatz in etwa im entsprechenden Verhältnis zum Wareneinsatz steht.

Auch könnte ein innerer Betriebsvergleich (z. B. mit Vorjahren) zeigen, wie die betriebliche Situation tatsächlich aussieht. Wenn in jedem Jahr dieselbe Umsatzkurve vorliegt, handelt es sich regelmäßig um saisonbedingte Veränderungen, sodass aus diesem Grund eine Schätzung nicht gerechtfertigt ist.

Auch eine Nachkalkulation könnte die tatsächliche Situation wiedergeben, wenn eine Methode angewendet wird, die der Realität entspricht.

Die Zeitreihenvergleichsmethode ist zwar ungenau, aber besser als eine Schätzung ins Blaue hinein. Hier findet zumindest ein Abgleich zwischen Umsatz und Wareneinsatz statt.

Mithilfe einer Geldverkehrsrechnung lässt sich ermitteln, ob die Geldmittel, die dem Unternehmer und seiner Familie zur Verfügung standen, ausreichend hoch waren. Hier kommt es natürlich darauf an, die Lebenssituation zutreffend einzuschätzen.

In seinem Beschluss vom 23....

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