Rz. 1629

Gemäß §§ 311ff. AktG ist es dem herrschenden Unternehmen verboten, seinen Einfluss auf die abhängige Gesellschaft zu nutzen, um ein nachteiliges Rechtsgeschäft oder eine nachteilige Maßnahme herbeizuführen, wenn es nicht die Nachteile ausgleicht (Ausgleichspflicht). Im Unterschied zum Vertragskonzern wird die Beherrschungsmacht beim faktischen Konzern nicht über einen Beherrschungsvertrag, sondern auf sonstige Weise – beispielsweise über eine Mehrheitsbeteiligung (§ 17 Abs. 2 AktG) oder über andere Unternehmensverträge – vermittelt. Im Falle eines Beherrschungsvertrages gelten ausschließlich die entsprechenden Sonderregelungen (§§ 308ff. AktG).

 

Rz. 1630

Gemäß § 311 Abs. 1 AktG wird die "abhängige AG" i. S. v. § 17 AktG vor dem Einfluss des herrschenden Unternehmens geschützt. In diesem Falle wird zwar auch das Vorliegen eines Konzerns i. S. v. § 18 AktG vermutet (§ 18 Abs. 1 Satz 3 AktG); unabhängig davon, ob diese Konzernvermutung widerlegt wird oder nicht, finden jedoch jedenfalls §§ 311ff. AktG Anwendung, weil nur die Abhängigkeit vorausgesetzt wird.[1]

 

Rz. 1631

Vorausgesetzt wird ferner, dass das herrschende Unternehmen seinen Einfluss nutzt, um die abhängige Gesellschaft zu einem Rechtsgeschäft oder einer Maßnahme zu veranlassen. Auf welche Art und Weise dieser Einfluss geltend gemacht wird, ist unerheblich; es genügt beispielsweise, eine bloße Empfehlung auszusprechen.[2] Entscheidend ist, dass die Handlung des beherrschenden Unternehmens zumindest mitursächlich für das nachteilige Rechtsgeschäft oder die nachteilige Maßnahme ist.[3] Besteht ein Konzernverhältnis i. S. v. § 18 AktG, wird wegen der dafür charakteristischen einheitlichen Leitung die Kausalität regelmäßig vermutet.[4]

 

Rz. 1632

Ein Nachteil ist jede Beeinträchtigung der Vermögens- oder Ertragslage der abhängigen Gesellschaft.[5] Dies ist beispielsweise anzunehmen, wenn der Wert einer Gegenleistung hinter dem Wert einer Leistung zurückbleibt oder wenn der Abschluss eines Rechtsgeschäftes mit dem beherrschenden Unternehmen ein anderes vorteilhaftes Rechtsgeschäft mit einem Dritten verhindert. Bei einem "upstream-Darlehen" an das herrschende Unternehmen ist dies dann der Fall, wenn die Rückzahlungsforderung mangels Bonität des herrschenden Unternehmens nicht vollwertig ist.[6]

 

Rz. 1633

Die Beeinträchtigung muss darüber hinaus nach ganz h. M. als Folge der Abhängigkeit anzusehen sein, d. h. ein Nachteil für die abhängige Gesellschaft wurde nur veranlasst, wenn sich ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer nicht abhängigen Gesellschaft anders verhalten hätte.[7] Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Vorstand bei seinen Entscheidungen ein unüberprüfbarer Ermessensspielraum zusteht und Maßnahmen, die sich innerhalb dieses Spielraumes halten, keinen Nachteil darstellen.[8]

 

Rz. 1634

Gem.§ 311 Abs. 2 AktG muss der Ausgleich nicht gleichzeitig oder noch im laufenden Geschäftsjahr, in dem der Nachteil zugefügt wurde, tatsächlich gewährt werden (tatsächlicher Ausgleich), sondern es genügt, spätestens am Ende des Geschäftsjahres zu regeln, wann und durch welche Vorteile der Nachteil ausgeglichen werden soll (Ausgleichsanspruch). Anders hat die Rechtsprechung allerdings für den Fall entschieden, dass das herrschende Unternehmen einen Nachteil mittels Hauptversammlungsbeschluss veranlasst hat: danach muss der Nachteilsausgleich bereits im Beschluss selbst vorgesehen sein.[9] Der Ausgleichsanspruch muss dem abhängigen Unternehmen durch Vertrag gewährt werden; eine bloße (Absichts-)Erklärung des herrschenden Unternehmens genügt nicht.[10]

 

Rz. 1635

Der Vorteil muss den Nachteil ausgleichen, d. h. der Wert des Vorteils muss dem Wert des Nachteils entsprechen. Die Höhe des Nachteils ist im Zeitpunkt seines Entstehens und die Höhe des Vorteils im Zeitpunkt seiner Gewährung zu ermitteln; ein etwaiger zwischenzeitlicher Verzögerungsschaden, z. B. ein Zinsschaden, ist zum Wert des Nachteils zu addieren und ebenfalls zu kompensieren.[11]

[1] Der Begriff des "faktischen Konzerns" ist etwas missverständlich, weil im Unterschied zur Definitionsnorm des § 18 AktG ("Konzern") die bloße Abhängigkeit i. S. v. § 17 AktG genügt und es daher – weitergehend – um die Verantwortlichkeit bei (bloßer) "Abhängigkeit" geht; vgl. Koch, in Hüffer/Koch, AktG, § 311 Rn. 8.
[2] Koch, in Hüffer/Koch, AktG, § 311 Rn. 13.
[3] LG Bonn, Urteil v. 27.4.2005, 16 O 13/04, Der Konzern 2005, S. 455, 458 f.; Koch, in Hüffer/Koch, AktG, § 311 Rn. 13; Koppensteiner, in KK-AktG, § 311 Rn. 6.
[4] Koch, in Hüffer/Koch, AktG, § 311 Rn. 21.
[5] Schatz/Schödel, in Heidel, AktR, § 311 AktG Rn. 53.
[7] Koppensteiner, in KK-AktG, § 311 Rn. 36, § 317 Rn. 14; Koch, in Hüffer/Koch, AktG, § 311 Rn. 25.
[8] Schatz/Schödel, in Heidel, AktR, § 311 AktG Rn. 60; Koppensteiner, in KK-AktG, § 317 Rn. 14; BGH, Urteil v. 3.3.2008, II ZR 124/06, NJW 2008 S. 1583.
[10] Koch, in H...

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