Rz. 522

Jeder Gesellschafter kann sich bei der Ausübung seines Stimmrechts durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 47 Abs. 3 GmbHG). Unzulässig ist allerdings eine unwiderrufliche, verdrängende Vollmacht, weil sie dem Verbot der Abspaltung des Stimmrechts vom Geschäftsanteil zuwiderliefe.[1] Das persönliche Erscheinen des Gesellschafters trotz erteilter Vollmacht ist grundsätzlich als Vollmachtswiderruf auszulegen. Geben der erschienene Gesellschafter und ein Vertreter mit Vollmacht ihre Stimme unterschiedlich ab, ist die Stimme des Gesellschafters maßgeblich.

 

Rz. 523

Aus dem Text der Vollmacht muss sich ergeben, dass der Bevollmächtigte das Stimmrecht des namentlich genannten Vollmachtgebers in der Gesellschafterversammlung ausüben darf.

 

Beispiel für eine Stimmrechtsvollmacht:

Muster IV, 5.

 

Rz. 524

Die Vollmacht bedarf gem. § 47 Abs. 3 GmbHG nicht (mehr) der Schriftform, sondern lediglich der Textform (§ 126b BGB), d. h. sie kann auch per Telefax oder per E-Mail erteilt werden. Die Satzung (oder die Einberufung aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag) kann weitere Erleichterungen erlauben, z. B. mündliche Vollmachterteilung. Der Gesellschaftsvertrag kann aber auch Erschwernisse vorsehen, solange die Möglichkeit eines Gesellschafters, einen Vertreter seines Vertrauens zu finden, nicht unzumutbar beschränkt ist.[2] So ist etwa bei Familiengesellschaften denkbar und verbreitet, nur andere Gesellschafter, Ehepartner oder Abkömmlinge, aber keine fremden Dritten, als Vertreter zuzulassen.[3] Verbreitet ist auch die Regelung, wonach sich ein Gesellschafter nur von einem zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen darf. Auch ohne eine entsprechende Satzungsregelung unterliegt der Gesellschafter bei der Auswahl eines Vertreters der Treuepflicht. Unzumutbare Personen, insb. Vertreter von Konkurrenten, können vom Versammlungsleiter oder durch Beschluss der übrigen Gesellschafter zurückgewiesen werden.[4]

 

Rz. 525

Hält ein Gesellschafter mehrere Geschäftsanteile, darf er grundsätzlich mehrere Stimmrechtsvertreter in die Gesellschafterversammlung entsenden. Die Gesellschaft ist aber berechtigt, einen oder mehrere der weiteren Bevollmächtigten zurückzuweisen. Mehrere Stimmrechtsvertreter müssen nur dann zugelassen werden, wenn ein besonderes berechtigtes Interesse des Gesellschafters vorliegt.[5]

 

Rz. 526

Der Leiter der Gesellschafterversammlung ist dafür zuständig, das Vorliegen der Vollmachten zu überprüfen. Ist kein Versammlungsleiter vorhanden, so sind die übrigen Gesellschafter hierfür zuständig. Der Versammlungsleiter und die Gesellschafter sind berechtigt, nicht legitimierte Vertreter zurückzuweisen. Sie können den Vertreter aber auch zulassen und sich mit einer nachträglichen Vorlage der Vollmacht begnügen.[6] Eine fehlende Legitimation führt zur Anfechtbarkeit gefasster Beschlüsse. Diese kann durch nachträgliche Vorlage einer Vollmacht ex tunc, d.h. rückwirkend, geheilt werden.[7]

 

Rz. 527

Vorbehaltlich einer Gestattung durch den Vertretenen ist nach § 181 Var. 1 BGB die Stimmabgabe wegen Vertretungsverbots unwirksam, wenn der Vertreter mit diesem Beschluss gleichzeitig ein Rechtsgeschäft mit sich selbst abschließt. Dies ist vor allen Dingen dann der Fall, wenn ein gesellschaftsfremder Dritter als Vertreter in eigener Person vom Beschlussgegenstand betroffen ist.[8] Ein Vertreter kann gleichzeitig mehrere Gesellschafter vertreten. Nur bei Satzungsänderungen und anderen Grundlagenbeschlüssen mit vertragsändernder Wirkung, wie z. B. Umwandlungs-, Ausschließungs-, Fortsetzungsbeschlüssen oder Beschlüssen über Unternehmensverträge führt die Doppelvertretung zu einer Unwirksamkeit der Stimmabgabe nach § 181 Var. 2 BGB.[9]

 

Rz. 528

Eine Befreiung von der Beschränkung des § 181 Var. 1 und 2 BGB hat in einer gesonderten Erklärung des Gesellschafters gegenüber seinem Vertreter zu erfolgen. Im Gesellschaftsvertrag kann dies nicht vorweggenommen werden, da der Vertreter in der Regel gerade nicht Vertragspartei des Gesellschaftsvertrages ist und das Vertretungsverbot allein auf dem Interessenkonflikt zwischen Gesellschafter und Vertreter beruht. Liegt keine ausdrückliche Befreiung vor, kann diese zumindest dann der Bevollmächtigung entnommen werden, wenn der Gesellschafter – wie üblich – zum Zeitpunkt der Bevollmächtigung den Beschlussgegenstand und die sich daraus ergebende abstrakte Interessenkollision kannte.[10]

[1] Römermann, in Michalski, § 47 Rn. 48.; OLG Koblenz, Urteil v. 16.1.1992, 6 U 963/91, NJW 1992 S. 2163.
[2] Drescher, in MüKo-GmbHG, § 47 Rn. 94; BGH, Urteil v. 1.12.1969, II ZR 14/68, NJW 1970 S. 706.
[3] Seibt, in Scholz, § 48 Rn. 24 f.
[4] Schindler, in BeckOK-GmbHG, § 47 Rn. 90; Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, § 47 Rn. 45.
[5] Sog. "stimmrechtsspaltende geteilte Einzelvertretung", K. Schmidt, in Scholz, § 47 Rn. 80, 73. Dabei ist im Ergebnis unerheblich, ob das Stimmrecht an der Person des Gesellschafters oder an dem ...

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