Leitsatz (amtlich)

a) Zur Frage des „echten Satzungsbestandteils” eines Gesellschaftsvertrages.

b) In besonderen Ausnahme fällen kann die Treuepflicht der Gesellschafter gebieten, daß sie einer vorübergehenden Vertretung bei der Ausübung des Stimmrechts durch einen vertrauenswürdigen Dritten zustimmen.

c) Wenn die Abwahl eines Beiratsmitglieds Satzungsänderung ist, bleibt sie dies auch bei Abwahl aus wichtigem Grunde.

 

Normenkette

HGB §§ 109, 119, 161 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Kiel

Schleswig-Holsteinisches OLG

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 15. November 1967 aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin, wird das Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kiel vom 9. Dezember 1964 im Kostenpunkt und zum Klageantrag zu 1 abgeändert und festgestellt, daß das Amt des Rechtsanwalts, und Notars Dr. Peter J. als Mitglied des Beirats der Kommanditgesellschaft Z.& Co. durch den Abberufungsbeschluß der Gesellschafterversammlung vom 15. Juli 1964 nicht erloschen ist.

2. Die in der Revisionsinstanz entstandenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden den Beklagten zu je 1/3 auferlegt. Die in den Vorinstanzen entstandenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Beklagten zu 1 und 5 zu je 1/4 und die Beklagte zu 2 zu 1/2 zu tragen. Die Beklagten tragen ihre eigenen Kosten.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte zu 1 sind die Töchter und Erben des am 8. Juli 1958 verstorbenen Ingenieurs Herbert Z.. Sie sind mit Stammeinlagen von jeweils 10 000 DM die einzigen Gesellschafter der Beklagten zu 2 und mit ebenfalls gleichen Anteilen (je 170 000 DM) Kommanditisten der Kommanditgesellschaft Z. & Co, der als weiterer Kommanditist der Beklagte zu 3 mit einem Kapitalanteil von 13 000 DM angehört. Die Beklagte zu 2 ist die persönlich haftende Gesellschafterin dieser Kommanditgesellschaft; ihr Kapitalanteil beträgt 17 000 DM.

Herbert Z. und der Beklagte zu 3 waren seit Dezember 1951 alleinige Gesellschafter der Z. & Cie, GmbH. Durch notariellen Vertrag vom 16. März 1953 wandelten sie die GmbH in die Kommanditgesellschaft Z. & Co. um mit Herbert Z. als Komplementär und dem Beklagten zu 3 als Kommanditisten. Der Kapitalanteil des persönlich haftenden Gesellschafters betrug 77 023,17 DM, der des Kommanditisten 6 064,84 DM.

Der KG-Vertrag vom 16. März 1953 in der Fassung des Ergänzungsvertrages vom 6. Juli 1953 sieht in § 5 einen Beirat in bestimmter personeller Zusammensetzung und mit bestimmten Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Überwachungsaufgaben vor. Der Gesellschaftsvertrag enthält hierzu im wesentlichen folgende Bestimmungen:

§ 5

Der durch Beschluß der Gesellschafter der Firma Z. & Cie. GmbH vom 28. Oktober 1952 … bestellte Verwaltungsrat wird von der Kommanditgesellschaft als Beirat übernommen. Dieser Beirat besteht aus folgenden Persönlichkeiten:

  1. Dr. med. A., Büsum,
  2. Vereidigter Buchprüfer Dr. B., Kiel,
  3. Bankdirektor Dr. E., Düsseldorf,
  4. Rechtsanwalt Dr. Peter J., Kiel,
  5. Frau Johanna N., bis zur Volljährigkeit von Fräulein Brigitte Z.. Von da an treten an ihre Stelle Beate-Maria und Brigitte Z.,
  6. Kaufmann Arthur O., Kiel-Pries,

Die Mitgliedschaft im Beirat ist höchstpersönlicher Natur; die Mitglieder können sich nicht durch Dritte, sondern nur untereinander vertreten lassen.

Herr Herbert Z. ist ermächtigt, Mitglieder des Beirats abzuberufen und an ihre Stelle andere zu bestellen. Die Abberufung des Beirats O. bedarf eines Gesellschaftsbeschlusses.

Aufgabe des Beirats ist es, alle Maßnahmen des Geschäftsführers zu unterstützen, die dem Wohl des Unternehmens zu dienen geeignet sind.

Solange Herr Z. Geschäftsführer der KG ist, tritt der Beirat nur auf seinen Wunsch zusammen. Scheidet Herr Z. als Geschäftsführer aus, so treten für den Beirat die Aufgaben in Kraft, die einem Aufsichtsrat gemäß §§ 9599 Aktiengesetz obliegen. Herr Z. ist alsdann Vorsitzender des Beirats. Scheidet Herr Z. aus dem Beirat aus, so wird Rechtsanwalt und Notar Dr. Peter J. Vorsitzender des Beirats, Dr. Walther B. stellvertretender Vorsitzender. Stirbt Herr Z., so gelten folgende weitere besondere Bestimmungen:

Der Beirat hat alsdann die Aufgabe, das für die Erben des Herrn Z. f bestimmte, in dem Betriebe der Firma Z. dl & Co. enthaltene Vermögen solange zu verwalten, als dies im Interesse der Erben notwendig erscheint. Der Beirat wird durch seinen Vorsitzenden nach aussen und innen vertreten.

Der Beirat ist insbesondere zur Ausübung aller Rechte berufen, die den Erbinnen des Herrn Z. aus der Gesellschaftsbeteiligung der Gesellschaft, den Gesellschaftern oder Dritten gegenüber zustehen, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen.

Solange der Beirat der Auffassung ist, daß eine der Erbinnen des Herrn Z. das Geschäft noch nicht selbst führen kann, hat der Beirat dafür zu sorgen, daß ein oder mehrere geeignete Geschäftsführer mit entsprechender Handlungsvollmacht versehen werden. …

Sobald die Erbinnen des Herrn Z. ganz oder teilweise über ihren Anteil an der Firma verfügen wollen, bedürfen sie der Zustimmung des Beirats. Diesem steht es frei, im Interesse der Erhaltung des Werkes innerhalb der Familie des Herrn Z. beim Verkauf eines Anteils diesen zugunsten eines Miterben oder anderer Verwandten zu erwerben.

Die Aufgabe des Beirats ist erledigt, wenn er zu der Überzeugung gekommen ist, daß eine der Töchter des Herrn Z. die Leitung des Werkes selbst übernehmen kann. Der Beschluß des Beirats bedarf 2/3 Mehrheit, falls sein Vorsitzender anderer Auffassung ist.

§ 6

Die Aufnahme neuer Gesellschafter, die Veräußerung oder Verpfändung von Gesellschaftsanteilen derselben und Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit einer 4/5 Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung vertretenen Kapitalanteile. Im übrigen entscheidet bei Beschlüssen der Gesellschafter die Mehrheit der von ihr vertretenen Kapitalanteile.

Nach dem Tode Herbert Z. s traten die Klägerin und die Beklagte zu 1 als Kommanditisten in die Kommanditgesellschaft ein. Zugleich gründeten sie eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Beklagte zu 2, die als Komplementärin in die Kommanditgesellschaft eintrat.

Nach dem Ableben Herbert Z.s nahm der Beirat unter dem Vorsitz des Rechtsanwalts und Notars Dr. Peter J. seine im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Tätigkeit auf. In der Folgezeit kam es zu Spannungen und Unstimmigkeiten innerhalb des Beirats und zwischen den Gesellschaftern, die auch mehrere Rechtsstreitigkeiten anhängig machten. Die Beklagte zu 1, die ebenso wie die Klägerin und der Beklagte zu 3 dem Beirat angehört, fühlt sich durch das Wirken des Beirats – insbesondere seines Vorsitzenden – in ihren Gesellschafterrechten beeinträchtigt und erhebt eine Reihe von Vorwürfen gegen den Vorsitzenden. Sie berief am 2. Juli 1964 eine Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft Z. & Co. und der Beklagten zu 2 zum 15. Juli 1964 ein, für die sie zu Punkt 8 der Tagesordnung die „Abberufung des Herrn Dr. J. als Mitglied des Beirats” beantragte.

An der Gesellschafterversammlung nahmen sämtliche Beklagte teil. Für die Klägerin erschien der von ihr bevollmächtigte Ehemann, der eine ärztliche Bescheinigung überreichte, wonach die Klägerin wegen einer Schwangerschaft keinerlei psychischer und körperlicher Belastung ausgesetzt werden dürfe, „da dadurch die Gefahr für Mutter und Kind in hohem Maße verstärkt” würde.

Nach Erörterung des Punktes 8 der Tagesordnung stimmten in Abwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten zu 2 die Beklagten zu 1 und 3 für und der Ehemann der Klägerin gegen den Antrag.

Die Klägerin hält diesen Beschluß für unwirksam. Sie beantragt, gegenüber den Beklagten festzustellen, daß der auf den Gesellschafterversammlungen der Firmen Z. & Co. und Erben Z. GmbH vom 15. Juli 1964 von der Beklagten zu 1 zur Abstimmung gestellte Antrag auf Abberufung des Rechtsanwalts und Notars Dr. Peter J. als Beiratsmitglied der Firma Z. & Co. nicht die für die Abberufung erforderliche Mehrheit erlangt habe, und daß Dr. J. auch jetzt noch Mitglied des Beirats der Firma Z. & Co. sei.

Das Landgericht hat die Klage, mit der noch weitere Anträge verfolgt wurden, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat über die anderen Anträge Teilurteil und über den hier behandelten Antrag klageabweisendes Schlußurteil erlassen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter; gegen den im Rechtsstreit nicht vertretenen Beklagten zu 3 beantragt sie, Versäumnisurteil zu erlassen. Die Beklagte zu 1 beantragt, die Revision zurückzuweisen. Die Beklagte zu 2 stellt nur den Antrag, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

I. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß der Beirat als Organ der Kommanditgesellschaft und seine Mitglieder rechtswirksam bestellt worden sind. Hierbei kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob, wie das Berufungsgericht meint, die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen über den Umfang der Funktionen des Beirates zu einem großen Teil unwirksam sind. Gegen den im Gesellschaftsvertrag festgelegten Aufgabenkreis sind zumindest insoweit keine rechtlichen Bedenken zu erheben, als dem Beirat die Rechte und Pflichten eines Aufsichtsrats nach §§ 95 bis 99 AktG (alter Fassung) übertragen worden sind.

II. In Übereinstimmung mit dem Landgericht vertritt das Berufungsgericht die Ansicht, Dr. J. sei in der Versammlung der Gesellschafter der Z. & Co. vom 15. Juli 1964 wirksam abberufen worden. Aus dem KG-Vertrag ergebe sich, daß nach dem Ableben von Herbert Z. die Abberufung von Beiratsmitgliedern nicht habe ausgeschlossen sein sollen. Für die Frage, welche Mehrheit für die Abwahl eines Beiratsmitglieds erforderlich sei, komme es darauf an, ob die Abwahl eine Änderung des Gesellschaftsvertrages darstelle. Dies könne bejaht werden, wenn die Stellung der im Gesellschaftsvertrag vom 6. Juli 1953 genannten Beiratsmitglieder satzungsmäßig garantiert wäre. Praglos sei die Einsetzung eines Aufsichtsrats oder Beirats alsInstitution oder dessen Abschaffung im ganzen materieller Inhalt eines Gesellschaftsvertrages. Etwas anderes habe jedoch zu gelten, wenn es, wie im vorliegenden Falle, um die Abberufung eines einzelnen Mitglieds gehe. Insoweit läge eine satzungsmäßige Garantie nur vor, wenn den einzelnen Mitgliedern des Beirats durch den Gesellschaftsvertrag ein Sonderrecht verliehen sei. Das sei hier nicht der Fall. Die Tatsache allein, daß jemand durch Gesellschaftsvertrag zum Beiratsmitglied berufen worden sei, reiche hierfür nicht aus. Vielmehr müßten zwingende Momente auf eine Sonderrechtsverleihung hinweisen. Eine Sonderrechtsverleihung könne insbesondere nicht aus der Bestimmung entnommen werden, daß die Mitgliedschaft im Beirat höchstpersönlicher Natur sei.

Auch eine ergänzende Vertragsauslegung lasse keine Feststellung dahin zu, daß Herbert Z. und der Beklagte zu 3 den Mitgliedern des Beirates ein statutarisches Sonderrecht hätten verleihen wollen.

Letztlich scheitere die Feststellung eines Willens der damaligen Gesellschafter, die Beiratsmitglieder persönlich im Gesellschaftsvertrag zu verankern, daran, daß die von ihnen urkundlich erklärte Berechtigung des Beirats weitgehend unwirksam sei; seine Befugnisse seien von Anfang an auf die Überwachungsaufgaben eines Aufsichtsrats im Sinne des Aktiengesetzes beschränkt gewesen.

Nach alledem habe der Abwahlbeschluß nicht der 4/5-Mehrheit, sondern der einfachen Mehrheit bedurft. Hierbei sei nach § 6 Satz 2 KG-Vertrag die Mehrheit nach den in der Gesellschafterversammlung vertretenen Kapitalanteilen zu berechnen. Eine einfache Mehrheit in diesem Sinne habe vorgelegen. Denn die Beklagte zu 1 habe mit 170 000 DM und der Beklagte zu 3 mit 13 000 DM Kapitalanteilen für und nur die Klägerin mit 170 000 DM Kapitalanteilen gegen die Abwahl gestimmt. Da sich der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 vor der Abstimmung aus der Gesellschafterversammlung entfernt habe, seien die von ihm repräsentierten Kapitalanteile von 17 000 DM als nicht vertreten anzusehen.

III. Die Revision wendet sich zunächst gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, nach dem KG-Vertrag sei die Abberufung der Beiratsmitglieder durch Gesellschafterbeschluß nicht ausgeschlossen.

Das kann auf sich beruhen, weil das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen hat, die Abberufung eines Beiratsmitglieds sei durch einen mit einfacher Mehrheit gefaßten Gesellschafterbeschluß zulässig.

Das Berufungsgericht prüft die Frage, ob die im Gesellschaftsvertrag namentlich genannten Beiratsmitglieder „mit satzungsmäßiger Garantie” bestellt seien, lediglich danach, ob der Gesellschaftsvertrag den Mitgliedern des Beirates ein „statutarisches Sonderrecht” verliehen hat.

1. Die Frage eines Sonderrechts stellt sich nicht für solche Beiratsmitglieder, die gar nicht Gesellschafter sind. Sollte Schmidt in Hachenburg GmbHG (§ 52 Anm. 18 i.V.m, den dort zitierten § 14 Anm. 18 und § 35 Anm. 41) etwas anderes sagen, so könnte ihn nicht gefolgt werden.

2. Es fragt sich vielmehr, ob die Gründer der KG den Beirat in der im Gesellschaftsvertrag bestimmten personellen Zusammensetzung in der Weise in die Gesellschaft eingegliedert haben, daß von einem „echten Satzungsbestandteil” gesprochen werden kann (vgl. zur GmbH BGHZ 18, 205, 207/8).

Nicht alles, was im Gesellschaftsvertrag steht, ist echter Bestandteil des Gesellschaftsvertrages. Hier folgt aber aus den Aufgaben, die dem Beirat übertragen worden sind, und aus der Entstehungsgeschichte dieser Einrichtung, daß nicht bloß die Mitgliederzahl und die Befugnisse des Beirats Bestandteil des Gesellschaftsvertrages sind, sondern auch die im Gesellschaftsvertrag festgelegte personelle Zusammensetzung dieses Gremiums gesellschaftsvertraglich verankert ist.

Unrichtig ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die in dem Gesellschaftsvertrag enthaltenen Bestimmungen über die Aufgaben des Beirats seien weitgehend nichtig, seine Befugnisse seien von Anfang an auf die Überwachungsaufgaben beschränkt gewesen, die einem Aufsichtsrat nach den §§ 95 bis 99 AktG (aF) zustehen. Mit dem Beirat haben die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft einen mit besonderen. Funktionen ausgestatteten Ausschuß eingegliedert und dadurch der Gesellschaft eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Gestalt gegeben. Dies ist grundsätzlich möglich, da zwingende gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen und die Gesellschafter nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ihre Rechtsverhältnisse frei gestalten können. Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, inwieweit dem Aufgabenkreis des Beirates wegen der damit verbundenen Beschränkung der Rechte einzelner Gesellschafter Grenzen gesetzt sind. Insbesondere kann offenbleiben, in welcher Weise die Bestimmung auszulegen ist, daß der Beirat „zur Ausübung aller Rechte” der Erbinnen aus ihrer Beteiligung an der Gesellschaft berufen ist, „soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen” (vgl. hierzu BGHZ 20, 363, 365; LM Nr. 6 zu § 109 HGB; RGZ 172, 199, 204). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind jedenfalls nicht nur die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über die Kontrollrechte des Beirates als rechtswirksam anzusehen, sondern insbesondere auch die Bestimmungen, wonach der Beirat „im Interesse der Erhaltung des Werkes innerhalb der Familie des Herrn Z. Verkauf eine Anteils diesen zugunsten eines Miterben oder anderen Verwandten erwerben” kann. Ferner bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß dem Beirat die Entscheidung darüber übertragen wurde, ob „eine der Töchter des Herrn Z. die Leitung des Werkes selbst übernehmen kann”.

Entsprechend diesen bedeutsamen Befugnissen haben die vertragschließenden Gesellschafter zu Mitgliedern des Beirates nur Personen berufen, die das besondere Vertrauen des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters der Kommanditgesellschaft, Herbert Z., besaßen. Aus dem gleichen Grunde haben die Gesellschafter die Beiratsmitglieder – abweichend von den bis dahin geltenden Bestimmungen – unmittelbar im Gesellschaftsvertrag benannt, ihre Amtsdauer zeitlich nicht mehr begrenzt und ausdrücklich bestimmt, daß die Mitgliedschaft höchstpersönlicher Natur sei.

Der Vertrag über die Errichtung der Z. & Cie. GmbH, der Rechtsvorgängerin der Kommanditgesellschaft, enthält noch keine Bestimmungen über die Bildung eines Verwaltungs- oder Beirats. Diese sind zum ersten Mal in den notariellen Urkunden vom 25. September und 28. Oktober 1952 zu finden, aber auch dort nur mit dem Inhalt, daß ein Verwaltungsrat mit den gesetzlichen Funktionen eines Aufsichtsrats bestellt wird. Die Benennung der einzelnen Mitglieder des Verwaltungsrats wurde, obwohl sie am gleichen Tag erfolgte, nicht in den Beschluß über die Änderung des GmbH-Vertrages aufgenommen, sondern in einer besonderen Vereinbarung der beiden Gesellschafter niedergelegt.

Aus alledem ergibt sich, daß den Gründern der KG nicht nur die Einrichtung des Beirats, sondern auch seine personelle Zusammensetzung als so bedeutungsvoll erschien, daß sie die Mitglieder des Beirats in den Gesellschaftsvertrag eingegliedert und damit zum Bestandteil der besonderen gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung der Kommanditgesellschaft gemacht haben.

IV. Der Ausschluß eines Mitglieds des Beirats betrifft daher die Grundlage der Gesellschaft und stellt sich als Änderung des Gesellschaftsvertrages dar. Nach § 6 des KG-Vertrages bedarf ein dahingehender Gesellschafterbeschluß einer 4/5-Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung vertretenen Kapitalanteile. Eine solche Mehrheit ist in der Gesellschafterversammlung vom 15. Juli 1964 nicht erreicht worden, weil die Klägerin mit ihrem Kapitalanteil von 170 000 DM rechtswirksam gegen die Abwahl von Dr. J. gestimmt hat.

Die Klägerin ließ sich in der Gesellschafterversammlung zwar durch ihren Ehemann vertreten. Ihre Vollmacht ist jedoch zumindest insoweit als wirksam anzusehen, als sie sich auf Punkt 8 der Tagesordnung (Abberufung des Beiratsmitglieds Dr. J.) bezieht. Die hiergegen von der Beklagten zu 1 schon in der Gesellschafterversammlung erhobenen Einwendungen sind unbegründet.

Das Stimmrecht des Gesellschafters einer Personengesellschaft ist zwar höchstpersönlicher Art; es kann grundsätzlich nur von den Gesellschaftern selbst und nicht durch Bevollmächtigte ausgeübt werden (Fischer in Großkomm. HGB 3. Aufl. § 119 Anm. 27; Hueck, Das Recht der OHG, 3. Aufl. § 11 II 3). Hierbei handelt es sich jedoch um nachgiebiges Recht. Der Gesellschaftsvertrag kann etwas anderes bestimmen (BGHZ 3, 354, 357) und Ausnahmen zulassen. Auch ohne gesellschaftsvertragliche Bestimmungen können sich die übrigen Gesellschafter mit der Stimmabgabe durch Bevollmächtigte einverstanden erklären. In besonderen Ausnahmefällen kann darüber hinaus die Treuepflicht der Gesellschafter gebieten, daß sie einer vorübergehenden Vertretung durch einen anderen Gesellschafter oder durch einen Dritten zustimmen (Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965 S. 350). Das ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn einerseits ein Gesellschafter aus nicht abwendbaren Gründen gehindert ist, in der Gesellschafterversammlung zu erscheinen und für seine Belange zu sorgen und andererseits es bei objektiver Abwägung der widerstreitenden Interessen der übrigen Gesellschafter und der Gesellschaft zumutbar erscheint, daß ein vertrauenswürdiger Dritter an der Gesellschafterversammlung und den damit verbundenen Abstimmungen teilnimmt.

Diese Voraussetzungen, liegen hier vor. Die Klägerin hat in der Versammlung der Gesellschafter der Kommanditgesellschaft Z. & Co. eine ärztliche Bescheinigung vom 7. Juli 1964 überreichen lassen, aus der sich ergibt, daß die Klägerin aus triftigen Gründen nicht in der Lage war, an der Versammlung vom 15. Juli 1964 teilzunehmen: Sie hatte am 1. Oktober 1963 eine Fehlgeburt durchgemachte Auch in der im Juli 1964 bestehenden Schwangerschaft drohte eine Fehlgeburt, so daß es notwendig erschien, psychische und körperliche Belastungen jeder Art zu meiden. Die Beklagten haben demgegenüber keine Tatsachen dafür vorgetragen, daß der Ehemann der Klägerin nicht vertrauenswürdig gewesen sei oder aus anderen Gründen sein Auftreten den Interessen der Gesellschaft oder der übrigen Gesellschafter widersprochen habe.

V. Das angefochtene Urteil läßt sich auch nicht mit der Begründung halten, Dr. J. habe deshalb mit einfacher Stimmenmehrheit seines Amtes enthoben werden können, weil – wie die Beklagte zu 1 meint – ein wichtiger Grund vorgelegen habe.

Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt, insbesondere keine Feststellungen darüber getroffen, ob ein wichtiger Grund gegeben war. Dies kann auch offenbleiben. Wenn die Abwahl Satzungsänderung ist, bleibt sie dies auch bei Abwahl aus wichtigem Grunde.

Aus dem Umstand, daß ein wichtiger Grund für die Abberufung eines Beiratsmitgliedes vorliegt und die Abwahl im Interesse der Gesellschaft geboten erscheint, kann allerdings aus der gesellschaftlichen Treuepflicht für den einzelnen Gesellschafter die klageweise durchsetzbare Verpflichtung erwachsen, einem in der Gesellschafterversammlung gestellten Antrag zuzustimmen. Für die Annahme einer solchen Verpflichtung genügt jedoch nicht, daß dem widerstreitenden Gesellschafter die Änderung des Gesellschaftsvertrages unter Berücksichtigung seiner Belange zuzumuten ist; denn den Parteien muß es innerhalb eines Gesellschaftsverhältnisses grundsätzlich überlassen bleiben, ihre Rechtsbeziehungen zueinander frei und nach ihrem eigenen Belieben zu gestalten. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die eine solche Änderung mit Rücksicht auf das bereits bestehende Gesellschaftsverhältnis oder mit Rücksicht auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern, etwa zum Zwecke der Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter in gemeinsamer Arbeit geschaffen haben, oder zur Vermeidung wesentlicher Verluste notwendig erscheinen lassen (BGH LM Nr. 8 zu § 105 HGB).

In vorliegendem Falle sind solche besonderen Umstände, die die Verpflichtung begründen könnten, der Abwahl des Beiratsmitglieds Dr. J. zuzustimmen, nicht vorgetragen.

VI. Da hiernach der in der Gesellschafterversammlung vom 15. Juli 1964 gestellte Antrag der Beklagten zu 1, Dr. J. als Mitglied des Beirats abzuberufen, nicht die erforderliche Mehrheit gefunden hat, ist der Beschluß über die Abwahl unwirksam und Dr. J. Mitglied des Beirats geblieben. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist damit begründet. Auf ihre Revision waren das Berufungsurteil aufzuheben und der Klage in Abänderung des landgerichtlichen Urteils stattzugeben. Die gleiche Folge war gegenüber dem Beklagten zu 3 durch Versäumnisurteil auszusprechen.

Bei der Fassung der Urteilsformel war jedoch zu beachten, daß § 256 ZPO, soweit er hier von Bedeutung ist, nur die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zuläßt, Wörtlich genommen geht der erste Teil des Antrags der Klägerin auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Rechtshandlung sowie auf Feststellung einzelner Elemente und Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Ein derartiges Begehren würde nicht in den Rahmen des § 256 ZPO fallen (BGHZ 37, 331; Stein/Jonas/Pohle, ZPO, 19. Aufl. § 256 Anm. II 1 b). In Wirklichkeit möchte die Klägerin jedoch festgestellt haben, daß die Stellung Dr. J.s. als Mitglied des Beirats der Kommanditgesellschaft Z. & Co. von dem Abberufungsbeschluß unberührt geblieben ist, weil der Antrag der Beklagten zu 1 nicht die nach dem KG-Vertrag erforderliche Mehrheit erlangt hat. So verstanden ist die Klage auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Das Feststellungsbegehren war deshalb in dieser Weise klarzustellen.

Die Beklagte zu 1 hat in der mündlichen Verhandlung die Ausfertigung einer notariellen Urkunde über eine am „18. Dezember 1968 durchgeführte Gesellschafterversammlung der Firma Z. & Co. überreicht und unter Hinweis auf Nr. 10 a dieser Urkunde vorgetragen, daß der Beirat aufgelöst und damit das Feststellungsinteresse der Klägerin entfallen sei. Der Beklagten kann auch insoweit nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat nach wie vor ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, weil die Parteien darüber streiten, ob die in der Vergangenheit von dem Beirat getroffenen Maßnahmen wirksam sind.

Bei der Kostenentscheidung mußte, soweit die Kosten der beiden Vorinstanzen in Betracht kommen, berücksichtigt werden, daß das vorliegende Verfahren und das Verfahren II ZR 224/67 kostenmäßig eine Einheit bilden.

 

Unterschriften

Dr. Kühn, Dr. Schulze, Fleck, Stimpel, Dr. Kellermann

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 01.12.1969 durch Heil, Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Nachschlagewerk BGH

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