Rz. 56

Die Unterscheidung, ob Software als materieller oder immaterieller Vermögensgegenstand bzw. als entsprechendes Wirtschaftsgut einzuordnen ist,[1] spielt insbesondere vor dem Hintergrund des § 5 Abs. 2 EStG eine Rolle, der eine Aktivierung nicht entgeltlich erworbener immaterieller Wirtschaftsgüter im Anlagevermögen untersagt. Von Bedeutung ist dies auch im Hinblick auf § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB, denn demgemäß besteht handelsrechtlich im Anlagevermögen ein Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände. Zudem ist diese Unterscheidung steuerrechtlich relevant im Hinblick auf die Mittelstandsabschreibung gem. § 7g EStG. Beides ist lediglich beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorbehalten, wozu die immateriellen Wirtschaftsgüter nicht zählen.

 

Rz. 57

Nach herrschender Ansicht[2] gilt sowohl System- als auch Anwendungssoftware, gleich, ob in Form eines Individual- oder fixen bzw. variablen Standardprogramms, im Bereich der Bilanzierung und Rechnungslegung als immaterieller Vermögensgegenstand. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH wird Software allerdings als beweglicher Vermögensgegenstand angesehen.[3] Dabei spielt es für den BGH überhaupt keine Rolle, ob die Software auf einem Datenträger übergeben wird oder ob – wie bei modernen Cloud- und Downloadlösungen – der Nutzer einen Zugang und keinen physischen Datenträger vom Veräußerer erhält.[4] Diese Sichtweise des BGH ist keineswegs neu, sondern resultiert bereits aus 1989.[5] Unabhängig von dieser Diskrepanz ist die Einordnung als immaterieller Vermögensgegenstand sachgerecht. Diese Einordnung gilt unabhängig davon, ob der Bilanzierende nur ein befristetes oder ein unbefristetes Nutzungsrecht bzw. Eigentum an dem Programm erwirbt.[6] Die wichtigsten Argumente, die für diese Einstufung sprechen, bestehen in[7]

  • dem Vorrang des geistigen Gehalts eines Programms gegenüber dem körperlichen Gegenstand des Datenträgers in funktioneller und wirtschaftlicher Sicht,
  • dem i. d. R. untergeordneten Wert des Datenträgers gegenüber dem des Programms sowie
  • der Möglichkeit des urheberrechtlichen Schutzes von Software.
 

Rz. 58

Anders beurteilt werden hingegen nach herrschender Auffassung[8] sog. Trivialprogramme. Hierunter ist Software zu verstehen, deren Anschaffungskosten nicht mehr als 800 EUR betragen.[9] Derartige Programme werden als abnutzbare bewegliche (also materielle) und selbstständig nutzbare Wirtschaftsgüter angesehen, die gem. § 6 Abs. 2 EStG sofort abgeschrieben werden können. Aus dieser Auffassung resultiert zweifelsohne – wenn es sich nicht um die als materiell einzustufenden Datenbankprogramme handelt – ein Umgehungstatbestand, der darauf ausgerichtet ist, die – im Hinblick auf die geforderte Beweglichkeit von Wirtschaftsgütern – willkürliche Legaldefinition der geringwertigen Wirtschaftsgüter zu umgehen. Das ist auch an der Behauptung zu erkennen, dass bei jedem Trivialprogramm "pauschal davon auszugehen ist, dass sein Wert gegenüber dem Wert seines Datenträgers unbedeutend ist".[10] In Anbetracht der aktuellen Preise für Datenträger ist diese Begründung grundsätzlich nicht (mehr) zutreffend. Hinsichtlich der handelsrechtlichen Rechnungslegung ist diese Definition ohnehin unbedeutend, weil hier i. S. d. Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit über die Aktivierung materieller und immaterieller Vermögensgegenstände – unabhängig von der Beweglichkeit – entschieden werden sollte (vgl. Rz. 35).

 

Rz. 59

Im Gegensatz zu Computerprogrammen gelten Datenbestände unter bestimmten Voraussetzungen als materielle Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter.[11] Allerdings erweist sich die Abgrenzung als schwierig und wird zum Teil heftig kritisiert.[12] Der BFH[13] ging zunächst im Fall von Disketten mit verschiedenen Schriftarten davon aus, dass Computerprogramme mit Beständen von Daten, die allgemein bekannt und jedermann zugänglich sind, z. B. mit Zahlen und Buchstaben, materielle Wirtschaftsgüter sein können. Diese Beurteilung schränkte er jedoch insofern ein, als Programme mit bloßen Datenbeständen unter anderen rechtlichen Aspekten, z. B. als Kundenkartei oder Verlagsarchiv, immaterielle Wirtschaftsgüter darstellen können. In diese Kategorie stufte er Datenträger ein, auf denen Adressen gespeichert sind und mit deren Hilfe Adressbücher gedruckt werden.[14] Die Merkmale, die der BFH zur Abgrenzung heranzieht, lassen keine eindeutigen Schlüsse zu, wohl aber folgende Tendenzen ableiten:

  • Fehlende Befehlsstrukturen sind ein Indiz für einen materiellen Vermögensgegenstand; dabei werden Datensammlungen mit Büchern gleichgesetzt.
  • Eröffnet eine Datensammlung vorteilhafte Einsatzmöglichkeiten in Form der schnellen Abrufbarkeit und Veränderung der Daten, deutet dies auf ein immaterielles Wirtschaftsgut hin.
  • Dominiert der Wert der Datensammlung, wie dies etwa bei einer Datenbank mit Urteilen, Zeitschriftenbeiträgen oder Kommentierungen der Fall ist, weil die zugrunde liegenden Anwendungsprogramme hier nur den Zugriff erleichtern, spricht dies...

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