Rz. 58

Zur Erleichterung der mit der Inventur verbundenen Belastungen kann nach § 241 Abs. 3 Nr. 1 HGB die Inventur ganz oder teilweise auch auf einen Zeitraum von bis zu 3 Monaten vor oder bis zu 2 Monaten nach dem Bilanzstichtag verlegt werden (zeitlich verlegte Inventur). Als zeitverschobene Inventur wird das auch von der Finanzverwaltung akzeptiert (R 5.3 Abs. 2 EStR). Damit steht ein Zeitraum von 5 Monaten für die Bestandsaufnahme zur Verfügung. Bei kalenderjahrgleichem Geschäftsjahr ist das der Zeitraum vom 1. Oktober bis Ende Februar. Nach Handels- und Steuerrecht ist jedoch Voraussetzung dieser zeitlichen Inventurerleichterung, dass durch GoB-konforme Fortschreibungs- oder Rückrechnungsverfahren sichergestellt ist, dass der am Ende des Geschäftsjahres vorhandene Bestand für diesen Zeitpunkt ordnungsmäßig bewertet werden kann. Die GoB-Konformität verlangt insbesondere eine Gruppenbildung mit homogener Preisentwicklung, Berücksichtigung von Bestandsrisiken durch Pauschalabschläge, objektive Nachprüfbarkeit, Dokumentation und Aufbewahrung der Fortschreibung und Rückrechnung.[1]

 

Rz. 59

Es werden zunächst die Mengen und Werte auf den vor- oder nachverlegten Inventurstichtag ermittelt, dann eine Abstimmung mit dem Sollbestand der Buchführung am Inventurstichtag vorgenommen, und anschließend wird mittels Wertfortschreibung oder Wertrückrechnung der Bestandswert per Bilanzstichtag ermittelt. Diese Fort- und Rückrechnung erfolgt allerdings i. d. R. nur wert-, nicht mengenmäßig; zur Berücksichtigung spezifischer Gegebenheiten der Vermögensgegenstände, wie z. B. niedrigere Tageswerte, kann die Anpassungsrechnung (Skontration) auch art- und mengenmäßig spezifiziert werden. Das ist insbesondere bei Anwendung des Lifo-Verfahrens notwendig.

 

Rz. 60

Das folgende Beispiel zeigt, wie zwischenzeitliche Bestandsveränderungen durch Fortschreibungen bzw. Rückrechnungen berücksichtigt werden können, so dass trotz zeitlich verschobener Inventur ein zutreffender Stichtagswert auf das Ende des Geschäftsjahres ermittelt werden kann. Bei großem Zeitabstand stellt die Finanzverwaltung allerdings an die Belege und Aufzeichnungen über die Bestandsveränderungen im Zwischenzeitraum strenge Anforderungen.[2]

 

Beispiel: Wertmäßige Fortschreibung und Rückrechnung bei zeitlich verlegter Inventur

 
Zeitlich verlegte Inventur

vorverlegte Inventur

(max. 3 Monate)

und

Fortschreibung

nachverlegte Inventur

(max. 2 Monate)

und

Rückrechnung
je Bestandsgruppe

Wert der Bestände

zum Inventurstichtag

(lt. besonderem Inventar)

Wert der Bestände

zum Inventurstichtag

(lt. besonderem Inventar)
+

Wert der Zugänge

zwischen Inventur- und

Bilanzstichtag
+

Wert der Abgänge

zwischen Inventur- und

Bilanzstichtag
./.

Wert der Abgänge

zwischen Inventur- und

Bilanzstichtag
./.

Wert der Zugänge

zwischen Inventur- und

Bilanzstichtag
    ./. Endbestand (lt. Inventur)
= Wert der Bestände zum Bilanzstichtag = Wert der Bestände zum Bilanzstichtag
 

Rz. 61

Die zeitverschobene Inventur ist nicht anwendbar für "besonders wertvolle" Wirtschaftsgüter und für Bestände, bei denen durch Schwund, Verdunsten, Verderb, leichte Zerbrechlichkeit oder ähnliche Vorgänge ins Gewicht fallende unkontrollierbare Abgänge eintreten, ohne dass diese Abgänge aufgrund von Erfahrungssätzen schätzungsweise annähernd zutreffend berücksichtigt werden können.[3] Auch bei starken Preisschwankungen im Zwischenzeitraum und nicht eindeutig abgrenzbaren Beständen können sich Anwendungsbeschränkungen ergeben.[4]

[1] Hachmeister/Zeyer, in HdJ, Abt. 1/14 Rz. 156 mit Hinweis auf Gans/Quick, DStR 1995, S. 306.
[4] Hachmeister/Zeyer, in HdJ, Abt. 1/14 Rz. 161, m. w. N.

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