Mit Wirkung zum 1.7.2021 wird bei den nachfolgend genannten Warenlieferungen durch einen Unternehmer über eine elektronische Schnittstelle (z. B. elektronischer Marktplatz) der Betreiber der elektronischen Schnittstelle Steuerschuldner für die im Gemeinschaftsgebiet für diese Lieferungen anfallende Umsatzsteuer. Insoweit wird die Lieferkette "Händler an Betreiber der elektronischen Schnittstelle sowie Betreiber der elektronischen Schnittstelle an Nichtunternehmer" fingiert. Während tatsächlich lediglich ein einziges Verkaufsgeschäft vorliegt, werden umsatzsteuerlich zwei Lieferungen angenommen:
- (erste fiktive) Lieferung von dem Händler an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle; insoweit kann die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4c UStG greifen.
- (zweite fiktive) Lieferung von dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle an den Enderwerber. Diese gilt als die bewegte Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 6b UStG. Wegen des Orts der Lieferung (Besteuerungsort) ist § 3c UStG zu prüfen.[1]
Fiktives Reihengeschäft des § 3 Abs. 3a UStG: keine Haftung nach § 25e UStG
In den o. g. Fällen des § 3 Abs. 3a UStG entfällt die bis zum 30.6.2021 vorgesehene Haftung des Betreibers elektronischer Marktplätze (§§ 22f und 25e UStG). Dies ist nicht mehr erforderlich, da der Betreiber des elektronischen Marktplatzes bei einem fiktiven Reihengeschäft nach § 3 Abs. 3a UStG selbst Steuerschuldner für die Lieferung des Händlers ist.
Der Marktplatzbetreiber haftet ab 1.7.2021 nur noch für nicht entrichtete Umsatzsteuer durch auf seinem Marktplatz tätige Händler/Unternehmen, wenn die Lieferkettenfiktion des § 3 Abs. 3a UStG keine Anwendung findet.[2]
Elektronisches Besteuerungsverfahren beim BZSt
Die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer können ab 1.7.2021 ihre o. g. fiktiven Lieferungen im sog. One-Stop-Shop (OSS) Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG anmelden und die Umsatzsteuer entrichten. Für Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert bis 150 EUR gilt der (optionale) sog. Import-One-Stop-Shop (IOSS) des § 18k UStG. Die Teilnahme an den beiden Verfahren können Unternehmer auf elektronischem Weg ab dem 1.4.2021 beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) anzeigen.[3]
Elektronische Schnittstelle i. S. d. § 3 Abs. 3a UStG: Begriffsdefinition
Dem Begriff der elektronischen Schnittstelle ist ein sehr weites Verständnis zugrunde zu legen. Unter den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3a UStG fallen daher nicht nur elektronische Marktplätze, Plattformen oder Portale, sondern auch alle anderen vergleichbaren elektronischen Handelsplätze. Wann von einer Unterstützung i. S. d. § 3 Abs. 3a Satz 1 und 2 UStG auszugehen ist, ist in Art. 5b MwStSystRL-DVO geregelt. Demnach unterstützt ein Unternehmer eine Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG oder einen Fernverkauf i. S. d. § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG mittels seiner elektronischen Schnittstelle, wenn er es einem Erwerber und einem Lieferer, der über diese elektronische Schnittstelle Gegenstände zum Verkauf anbietet, ermöglicht, in Kontakt zu treten, woraus eine Lieferung von Gegenständen über diese elektronische Schnittstelle an den Erwerber resultiert.[4]
Die für das "normale" Reihengeschäft zwischen mind. 3 Beteiligten geltenden Regelungen des Abschn. 3.14 Abs. 1 – 19 UStAE sind nicht auf Lieferketten i. S. des § 3 Abs. 3a i.V. mit Abs. 6b UStG anzuwenden (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 20 UStAE).
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