Durch eine Krise ändern sich i. d. R. die Machtverhältnisse im Wettbewerb, auf dem alle Marktteilnehmer agieren. Ein bedeutendes Konzept für die strategische Analyse des Unternehmensumfelds ist die Branchenstrukturanalyse nach Porter (s. Abb. 32). Das Ziel der Unternehmensstrategie sollte demnach in der Suche nach Möglichkeiten zur Schwächung dieser Wettbewerbskräfte in Bezug auf die eigene Organisation bestehen. Porters Modell dient dabei der Analyse der in der jeweiligen Branche wirkenden Wettbewerbskräfte. Auf Grundlage dieser Informationen können die Unternehmen über Aktivitäten zur gezielten Beeinflussung oder Ausnutzung einzelner Aspekte entscheiden.

Abb. 32: Branchenstrukturanalyse mit möglichen Handlungsempfehlungen

Unternehmen werden durch eine Krise i. d. R. mit zwei Herausforderungen konfrontiert:[1] zum einen mit der Beeinträchtigung weltweiter Lieferketten, zum anderen mit einem Nachfragerückgang (ausgelöst durch Geschäftsschließungen, Ausgangsbeschränkungen und Unsicherheiten über den Ausgang der Pandemie). Aufgrund der weltweiten Auswirkungen und der jeweiligen Maßnahmen seitens der Regierungen zur Eindämmung hat die Wirtschaft mit unterschiedlichen Wettbewerbsverhältnissen im Vergleich zur Situation vor der Krise zu kämpfen.

Zwar gelten Nachfragerückgänge auch für Unternehmen in Volkswirtschaften, die die Pandemie (zunächst) überstanden haben. Doch es besteht die Möglichkeit, dass Organisationen in solchen Ländern im Wettbewerb gegenüber jenen in aktuell noch betroffenen Staaten einen Vorteil haben. Da die Beschränkungen hier geringer sind, können Waren und Dienstleistungen angeboten werden, bei deren Bereitstellung andere aktuell Probleme haben. So können Unternehmen aus "Post-COVID-19-Staaten" Marktanteile in den jeweiligen Absatzmärkten gewinnen. Zudem könnte sich ein Zeitvorteil ergeben, wenn bereits jetzt produziert werden kann, während entsprechende Prozesse in anderen Staaten nach der Lockerung nicht sofort in vollem Umfang aufgenommen werden können. Je weiter das Ende der Beschränkungen in einer Volkswirtschaft im Vergleich zum Ende in einer anderen entfernt ist, desto größer sind diese Effekte.

Die Auswirkung der Krise macht sich für jedes Unternehmen unterschiedlich bemerkbar (Abhängigkeit von Branche, Grad der Internationalisierung und Verflechtung mit Vertragspartnern, Konstitution vor der Krise), wodurch sich auch Chancen für das Unternehmen ergeben. Themen wie längst überfällige Restrukturierungen und Akquisitionen können gerade jetzt sinnvoll sein. Restrukturierungsaufwand kann durch die aktuelle Lage besser gerechtfertigt werden. Nicht nur unternehmensintern besteht eine Chance, sich für den Weg aus der Krise bestmöglich aufzustellen und darüber hinaus zukünftiges Wachstum zu ermöglichen. Unternehmenswerte fallen krisenbedingt niedriger aus, wodurch sich eine Chance bspw. für strategische Akquisitionen ergeben kann. Der Erwerb eines Lieferanten, Abnehmers oder auch Konkurrenten kann möglicherweise die Marktposition eines Unternehmens kräftigen.

Das Controlling muss bei dieser durch die Krise ausgelösten Neuausrichtung der Wettbewerbskräfte zum einen die Partner richtig einschätzen und zum anderen alle möglichen Szenarien (s. Abb. 32) beachten, sodass die richtige Einschätzung für Verhandlungen, Produktänderungen oder Geschäftsmodelländerungen gegenüber dem Management ausgesprochen werden können. Als Grundlage hierfür dient eine Branchenstrukturanalyse. Die unterschiedlichen Szenarien müssen dabei in den Steuerungsprozess integriert werden. Darüber hinaus muss bei allen Entscheidungen etwaiges Risiko mittels Stresstests evaluiert werden. Auf Basis der durchgeführten Analysen ist es möglich, grobe Absätze und Umsatzschätzungen für einzelne Kunden oder Segmente vorzunehmen. Eine Bewertung der Geschäftsfelder hinsichtlich ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Stärken (Geschäftsfeld-Portfolioanalyse) vervollständigt die Phase der strategischen Analyse.

Zudem muss das Controlling etwaige Risiken der Supply Chain erkennen und die Möglichkeiten von Supply-Chain-Finance-Lösungen in Erwägung ziehen. Dadurch wird eine nachhaltige Möglichkeit, Liquidität im eigenen Unternehmen und bei den Supply-Chain-Partnern freizusetzen, geschaffen, denn besonders in Krisenzeiten ist es wichtig, die Liquidität sicherzustellen. Das Working Capital Management wird hierbei mit der Kennzahl Cash-to-Cash Cycle gesteuert. Es muss dabei geprüft werden, ob Optionen wie bspw. Reverse Factoring eine Lösung zur Sicherstellung der Liquidität im operativen Alltag darstellt.

[1] Bardt/Hüther, 2020.

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