Rz. 3

Zur Bestimmung des steuerlichen Begriffs des Wirtschaftsgutes liegt eine umfassende höchstrichterliche Rechtsprechung vor, die zu einer weitreichenden Analyse der einzelnen Begriffsmerkmale in der Literatur führte.[1] Die wesentlichen Kriterien lassen sich in folgender Weise zusammenfassen:[2]

  1. Entstehen von Aufwendungen: Eine "Aufwendung" in diesem Sinne muss sich immer auf eine Ausgabe zurückführen lassen; dabei muss eine Ausgabe oder ersatzweise eine geldwerte Leistung gegeben und einem Gegenstand wertmäßig zurechenbar sein.
  2. Vorliegen eines zukünftigen Nutzens: Nicht die Ausgabe, sondern der mit der Ausgabe erlangte Vorteil ist zu aktivieren; dabei wird zur Überprüfung seines Vorhandenseins darauf abgestellt, ob ein über den Bilanzstichtag hinausgehender Nutzen zu registrieren ist.
  3. Selbstständige Bewertbarkeit: Ein Wert muss einem Wirtschaftsgut unmittelbar zugerechnet werden können, wobei u. a. ein fiktiver Erwerber des gesamten Unternehmens betrachtet wird; bei diesem wird geprüft, ob er einen Gegenstand für so greifbar hält, dass er dafür im Rahmen des Gesamtkaufpreises ein besonderes Entgelt ansetzen würde.[3] In neuerer Zeit wird die Greifbarkeit als Objektivierungskriterium herangezogen, das die Konkretisierung eines Vorteils als Recht oder rechtsähnliche Position, die Zurechenbarkeit von Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Zugang eines Aktivums beinhaltet.[4]
 

Rz. 4

Obwohl die Begriffe "Vermögensgegenstand" und "Wirtschaftsgut" als Grundlage für die Anwendung des in § 5 Abs. 1 EStG fixierten Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz identisch sein müssten, stimmen die Kriterien des Wirtschaftsgutbegriffs nicht überein mit der üblichen Auslegung des Vermögensgegenstandes; die BFH-Rechtsprechung versucht diesen Unterschied einerseits durch die oben dargestellte Interpretation der Greifbarkeit im Sinne eines Objektivierungskriteriums und andererseits durch Vornahme einer Rechtsprechung zum Handelsbilanzrecht zu überbrücken.[5]

[1] Vgl. dazu u. a. Eibelshäuser, Immaterielle Anlagewerte in der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung, 1983, S. 75 ff.; Freericks, Bilanzierungsfähigkeit und Bilanzierungspflicht in Handels- und Steuerbilanz, 1976, S. 310 ff.; Jacobs, Das Bilanzierungsproblem in der Ertragsteuerbilanz, 1971, S. 80 ff.; Ringling, Aktivierung und Passivierung in der Steuerbilanz, 1978, S. 89 ff.; Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Band I, 2. Halbband, 7. Aufl. 1992, S. 22 ff.
[2] Vgl. in ähnlicher Weise Kußmaul, BB 1987, S. 2053 f.
[4] Vgl. dazu Moxter, Bilanzrechtsprechung, 6. Aufl. 2007, S. 6 ff. und 26 f.
[5]

Vgl. dazu Kußmaul, BB 1987, S. 2053 f. sowie "Wirtschaftsgut/Vermögensgegenstand/Schuld", Rz. 7 ff.

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