Rz. 156

In der Satzung muss ferner der Sitz der GmbH angegeben werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 GmbHG). "Sitz" der Gesellschaft ist nach § 4 a GmbHG wiederum "der Ort, den die Satzung bestimmt". Diese scheinbare Tautologie hat ihren Sinn in der Differenzierung zwischen Satzungs- und Verwaltungssitz.

 

Rz. 157

Der Satzungssitz – im GmbH-Recht regelmäßig auch kurz "Sitz" genannt – ist der in der Satzung bezeichnete Sitz. Diesen meinen §§ 3 Abs. 1, 4 a, 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Der Verwaltungssitz hingegen ist der Ort, an dem sich die Verwaltung bzw. Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet. Beide müssen nicht notwendig identisch sein.

 

Rz. 158

Während der Satzungssitz vor allem der Individualisierung der Gesellschaft sowie der Bestimmung ihres allgemeinen Gerichtsstandes (und damit des zuständigen Handelsregisters sowie des für Passivprozesse zuständigen Gerichts) dient (vgl. §§ 376 Abs. 1, 374 Nr. 1 FamFG, § 17 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 3 Abs. 1, 4a GmbHG), hat der Verwaltungssitz z. B. Bedeutung für die Zuständigkeit der Finanzbehörden (§ 20 Abs. 1 AO) sowie – nach noch herrschender Auffassung für Sitze außerhalb der EU, des EWR und der USA – für die Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts[1] (vgl. dazu Rn. 40 ff.).

 

Rz. 159

Die Wahlfreiheit für den Satzungssitz war bis zum Inkrafttreten des MoMiG im Jahre 2008 eingeschränkt. Nach § 4 Abs. 2 GmbHG a. F. kam als Satzungssitz "in der Regel" nur in Betracht:

  • der Ort, an dem die Gesellschaft einen "Betrieb" hat (z. B. Produktions- oder Vertriebsstätte)
  • oder der Ort, an dem sich Geschäftsleitung oder Verwaltung befinden (das konnte der Ort sein, an dem der Geschäftsführer regelmäßig tätig ist, oder der Ort, an dem die laufende Verwaltung der Gesellschaft geführt wird).
 

Rz. 160

Diese Einschränkung besteht nicht mehr. Innerhalb des Inlandes besteht seit Inkrafttreten des MoMiG Freiheit hinsichtlich der Sitzwahl.

 

Rz. 161

Der Satzungssitz muss im Inland liegen (§ 4a GmbHG).

 

Rz. 162

Eine spätere Sitzverlegung des Satzungssitzes über die Grenze hinaus galt bis zu den Entscheidungen "Cartesio", "VALE" des EuGH[2] in den Jahren 2008 und 2012 als nicht zulässig;[3] ein entsprechender Verlegungsbeschluss war bis dahin generell als Auflösungsbeschluss zu werten.[4] Die Zulässigkeit derartiger, den "Wegzug" von Kapitalgesellschaften beschränkender Vorschriften des nationalen Rechts ist nach den genannten Entscheidungen des EuGH aber differenziert zu betrachten. Danach darf das nationale Recht die Sitzverlegung in ein anderes Land – auch in ein Mitgliedsland der EU oder des EWR – unter Beibehaltung der bisherigen nationalen Rechtsform zwar weiterhin verbieten. Nationale Vorschriften hingegen, die die Sitzverlegung über die Grenze innerhalb der EU oder des EWR bei gleichzeitiger Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft des Rechts des Ziellandes (grenzüberschreitender Formwechsel)[5] verbieten, verstoßen aber gegen Art. 49, 54 AEUV.

Damit ist allerdings noch nicht entschieden, wie eine solche Sitzverlegung bei gleichzeitigem Wechsel des anwendbaren Rechts praktisch bewerkstelligt werden soll.[6] Nationale Vorschriften hierzu fehlen bislang.[7] Ob das Verfahren über die Verabschiedung der von der Europäischen Kommission geplanten Sitzverlegungsrichtlinie[8] unter dem Eindruck der "VALE"- sowie der "Polbud"-Entscheidung wieder forciert wird, bleibt abzuwarten.

 

Grenzüberschreitende Verschmelzung als Alternative

Als sichere Alternative zur grenzüberschreitenden Verlegung des Satzungssitzes bietet sich weiterhin der auch bislang von der Praxis verwendete Umweg einer grenzüberschreitenden Verschmelzung auf eine zuvor zu gründende Zielgesellschaft nach der Internationalen Verschmelzungsrichtlinie an.

 

Rz. 163

Die frühere gesetzliche Regelung, wonach der Satzungssitz an dem Ort sein musste, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hatte oder an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird (§ 4a GmbHG a. F.), ist mit dem MoMiG im Jahre 2008 gestrichen und durch die liberalere Regelung ersetzt worden, wonach (Satzungs-) Sitz der Gesellschaft der Ort im Inland ist, den der Gesellschaftervertrag bestimmt. Beide Sitze müssen also nicht mehr zusammen fallen; der Verwaltungssitz kann vielmehr – jedenfalls innerhalb von Deutschland – frei gewählt werden.

 

Rz. 164

Auch eine Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland führt damit aus Sicht des deutschen Rechts nicht mehr automatisch zur Auflösung der GmbH. Durch die Neufassung des § 4a GmbHG wollte der Gesetzgeber deutschen Gesellschaften ausdrücklich ermöglichen, ihre Geschäftstätigkeit ausschließlich durch eine im Ausland betriebene Zweigniederlassung zu erbringen,[9] was nichts anderes heißt, als Verwaltung und Betrieb komplett ins Ausland zu verlegen. Die Folgen einer solchen Verlegung des Verwaltungssitzes sind aber nicht nur nach deutschem, sondern auch nach dem Recht des Zuzugsstaates zu beurteilen. Länder der EU oder des EWR sind wegen der europäischen Niederlassungsfreiheit und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH[10] in...

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