Leitsatz (amtlich)

1. Die Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes einer ausländischen Kapitalgesellschaft (hier: Société à responsabilité limitée luxemburgischen Rechts) nach Deutschland unter identitätswahrendem Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft deutschen Rechts (hier: GmbH) ist nach deutschem Sachrecht unzulässig.

Dies gilt auch dann, wenn das Sachrecht des Gründungsstaates eine solche Sitzverlegung zuließe.

2. Zur Frage, ob Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften nach Art. 49 und 54 AEUV, eine Verpflichtung begründet, den Zuzug von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten der EU unter Wahrung ihrer Rechtspersönlichkeit und Umwandlung in eine entsprechende Rechtsform des Zuzugsstaates zu ermöglichen.

 

Normenkette

HGB §§ 13d ff.; GmbHG § 4a; UmwG § § 122a ff., § 190 ff.; AEUV Art. 49, 54; EWGV 2137/1985 Art. 13-14; EGV 2157/2001 Art. 8; EGV 1435/2003 Art. 6-7

 

Verfahrensgang

AG Fürth (Bayern) (Aktenzeichen 61 AR 397/11 (Fall 1))

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen die Zwischenverfügung des AG Fürth - Registergericht - vom 7.11.2011 in Verbindung mit dem hierzu ergangenen Nichtabhilfebeschluss vom 8.12.2011, Gz. 61 AR 397/11, wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 2) "M.S.àr.l." ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung luxemburgischen Rechts, eingetragen im Handels- und Gesellschaftsregister von Luxemburg. Sitz der Gesellschaft ist Luxemburg.

Gesellschafter der Beteiligten zu 2) sind die Gesellschaft mit beschränkter Haftung slowakischen Rechts "S.s.r.o." - Beteiligte zu 4) - mit einem Anteil von 90 % sowie die Gesellschaft mit beschränkter Haftung tschechischen Rechts "G.s.r.o." - Beteiligte zu 5) - mit einem Anteil von 10 %.

Der Beschwerdeführer - Beteiligter zu 1) - ist jeweils allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beteiligten zu 2), zu 4) und zu 5).

Zur Urkunde des Notars J. mit dem Amtssitz in J. (Großherzogtum Luxemburg) vom 20.5.2011 beschlossen die beiden Gesellschafterinnen der Beteiligten zu 2) in einer außerordentlichen Generalversammlung der M.S.àr.l.,

"im Einklang mit Art. 67-1 (1) über die Handelsgesellschaften, den Gesellschafts- und Verwaltungssitz von Luxemburg in die Bundesrepublik Deutschland zu verlegen und das deutsche Recht seitens der Gesellschaft anzunehmen."

Die Generalversammlung stellte hierzu fest,

"dass die Verlegung des Gesellschaftssitzes in die Bundesrepublik Deutschland keine Gründung einer neuen Gesellschaft darstellt."

Weiterhin beschloss die Generalversammlung, die Form einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung anzunehmen und unter der Bezeichnung "M. GmbH" ihre Aktivitäten am neuen Gesellschaftssitz in E. fortzusetzen.

Im Übrigen beschloss sie die Abänderung des Gesellschaftszwecks und eine Satzung für die künftige M. GmbH deutschen Rechts.

Am 10.6.2011 hielten die Beteiligten zu 4) und zu 5), jeweils vertreten durch den Beschwerdeführer, nach deutschem Recht eine Gesellschafterversammlung der M.S.àr.l. ab. Hierbei bestätigten bzw. wiederholten sie die Beschlüsse aus der vorgenannten Urkunde des Notars J. zur Urkunde des verfahrensbeteiligten Notars Dr. R. (UR-Nr ...). Insbesondere beschlossen sie nochmals die Satzung der "M. GmbH" deutschen Rechts und die Bestellung des Beschwerdeführers zu deren allein vertretungsberechtigtem Geschäftsführer.

Unter dem 18.7.2011 meldete der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1), Notar Dr. R. beim Registergericht Fürth die seiner Ansicht nach durch Sitzverlegung der Beteiligten zu 2) "M. S. à r. l." von Luxemburg nach Deutschland unter Annahme des deutschen Rechts entstandene "M. GmbH" zur Eintragung in das Handelsregister an. In Vorlage gebracht wurden eine beglaubigte Abschrift der Gesellschafterversammlung mit beschlossener neuer Satzung vom 10.6.2011 (UR-Nr ...), eine beglaubigte Abschrift der vorgenannten Urkunde des Notars J., Luxemburg, vom 20.5.2011 über die nach luxemburgischem Recht abgehaltene Generalversammlung der Beteiligten zu 2) "M.S.àr.l." sowie eine Gesellschafterliste.

Diese Urkunden wurden am 8.9.2011 in Form eines elektronisch übermittelten Dokuments beim AG Fürth eingereicht.

Mit Verfügung vom 9.9.2011 erholte das Registergericht bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nürnberg für Mittelfranken eine gutachterliche Stellungnahme über die Eintragungsfähigkeit eines solchen Formwechsels.

Mit Zwischenverfügung vom 7.11.2011, dem antragenden Notar zugestellt am 9.11.2011, wies das AG im Anschluss an die erholte Stellungnahme der IHK darauf hin, dass die vorgelegte Anmeldung nicht vollzogen werden könne. Der derzeitige nationale und gemeinschaftsrechtliche Rechtsrahmen lasse eine grenzüberschreitende Sitzverlegung nicht zu.

Hiergegen legte der den Eintragungsantrag stellende Notar mit Schreiben vom 15.11.2011, beim AG Fürth ...

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