Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessensausübung bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes bei mangelnder Mitwirkung im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist es der Finanzbehörde bei der Ausübung des Entschließungsermessens verwehrt von einer Vorprägung in dem Sinne auszugehen, dass jede Verletzung der Mitwirkungspflicht i.S.d. § 200 Abs. 1 AO, unabhängig davon ob dem Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft oder nicht, grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes führt.
  2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schließt es aus, dass die Finanzbehörde der Ausübung seines Entschließungsermessens die Summe der Pflichtverletzungen zugrunde gelegt, bei der anschließenden Ermessensentscheidung dazu, ob es angemessen und zumutbar ist, den Mindestsatz zu überschreiten (sog. Auswahlermessen), hingegen auf die einzelne Pflichtverletzung abstellt und diese jeweils ohne weiteres, die Gesamtheit der Verstöße betreffende Erwägungen, in Höhe von 2500 € (Mindestsatz) sanktioniert.
  3. Die Unmöglichkeit der Zahlung eines ansonsten ermessensfehlerfrei festgesetzten Verzögerungsgeldes kein geeignetes Kriterium bei der Festsetzung des Verzögerungsgeldes, es kann allenfalls Gegenstand eines besonders zu stellenden Erlassantrages nach § 227 AO sei.
 

Normenkette

AO § 146 Abs. 2b

 

Streitjahr(e)

2011

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes. Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 03.11.1978 gegründete und im Handelsregister des Amtsgerichts unter HRB eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand die Transportagentur, der Im- und Export von Waren aller Art, der Handel mit Kraftfahrzeugen, Nutzfahrzeugen und Wasserfahrzeugen aller Art sowie die Vermietung von Nutzfahrzeugen und Wasserfahrzeugen ist. Gesellschafter der Klägerin sind seit dem 10.10.2007 Frau A mit 64,80% und Herr A mit 35,20% des Stammkapitals, die auch zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt worden sind.

Gemäß Prüfungsanordnung vom 26.05.2011 ( ) ordnete der Beklagte (das Finanzamt, im Folgenden: ,FA') bei der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung betreffend die Jahre 2007 bis 2009 an, mit der er am 01.08.2011 um 08:55 Uhr in den Räumen des steuerlichen Beraters begann. Die an die Klägerin gerichteten Prüfungsanfragen Nr. 1 bis 3 ergingen am 04.08.2011 (ohne Frist, Nach Erinnerung an die Erledigung vom 06.09.2011 Fristsetzung bis zum 21.09.2011 mit Belehrung zur Verzögerungsgeldfestsetzung), am 05.08.2011 (ohne Frist) sowie am 22.08.2011 (ohne Frist). Ausweislich eines Aktenvermerks vom 15.08.2011 erkundigte sich die Prüferin zum Sachstand der Prüfungsunterlagen, worauf ihr der Steuerberater X mitteilte, dass die gesamte Familie A „bis jetzt” im Urlaub gewesen sei und die Unterlagen zusammengestellt würden. In einer Besprechung vom 22.08.2011 übergab der Steuerberater sodann einige Unterlagen. Dabei wies ihn die Prüferin darauf hin, dass noch Unterlagen fehlen und dass die Prüfung aus terminlichen Gründen unterbrochen und am 05.09.2011 fortgesetzt werde, wobei bis dahin die noch fehlenden Dokumente vorliegen sollten. In einem Telefongespräch vom 01.09.2011 ergänzte die Prüferin dem Steuerberater hierzu, dass sich der Prüfungsablauf (Ort der Prüfung) ändern müsse, wenn die Unterlagen am 05.09.2011 nicht vorlägen.

In einer Besprechung am 06.09.2011 in den Räumen der steuerlichen Berater teilte der Steuerberater X sodann mit, dass die Unterlagen angefordert, aber noch nicht „vor Ort” seien. Als Begründung für die Verzögerung gab er an, dass die neue Firma Axx zurzeit expandiere und dort sehr viele Dinge zu planen und zu regeln seien. Herr A habe im Moment keine Zeit für das Finanzamt. Daraufhin ergingen am 06.09.2011 die Prüfungsanfragen Nr. 4 bis Nr. 8 vom 06.09.2011, die eine Fristsetzung bis zum 21.09.2011 und Belehrung über eine mögliche Verzögerungsgeldfestsetzung enthielten. Ferner erinnerte die Prüferin am 06.09.2011 an die Erledigung der Prüfungsanfrage Nr. 1 vom 15.08.2011, wobei sie unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Verzögerungsgeldfestsetzung nunmehr ebenfalls um Erledigung bis zum 20.09.2011 bat. Am 14.09.2011 kam es nochmals zu einer Besprechung, an der für die Klägerin nun der Steuerberater X 2 teilnahm, der mitteilte, dass er den von der Prüferin erteilten Hinweis auf die mögliche Verzögerungsgeldfestsetzung in seiner 30-jährigen beruflichen Tätigkeit noch nicht erlebet habe. Die fehlenden Unterlagen würden so bald wie möglich an Amtsstelle vorgelegt. Herr X habe am 22./23.09.2011 Urlaub und Frau A befinde sich im Krankenhaus. Die Prüferin verlängerte die Frist für die Vorlage der Unterlagen bis zum 28.09.2011. Nach teilweiser Vorlage von Unterlagen erfolgte in einem Telefongespräch vom 26.09.2011 eine weitere Verlängerung bis zum 30.09.2011 um 11:00 Uhr. In einer Besprechung mit dem Steuerberater X am 30.09.2011 erläuterte ...

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