Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.12.1996; Aktenzeichen IX R 91/94)

 

Tenor

Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 1987 vom 23.12.1988 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 18.04.1991 wird die Einkommensteuer von DM 29.842,– auf DM 22.664,– herabgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrte in seiner Einkommensteuererklärung 1987 die Weiterführung von Steuerbegünstigungen nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung für das bis zum 31.12.1986 pauschal nach § 21 Einkommensteuergesetz (EStG) besteuerte Gebäude …. Hierbei handelt es sich um ein ehemaliges Revierförsterdienstgehöft aus dem Jahre 1873, daß der Kläger im Jahre 1984 erworben hatte. In einer Modernisierungsvereinbarung mit der Gemeinde … hatte sich der Kläger zu dessen grundlegender Sanierung verpflichtet. Hierin wurde der Umfang der durchzuführenden Arbeiten festgelegt und der Gemeinde ein Mitspracherecht bei Gestaltungsentscheidungen und der Materialauswahl eingeräumt. Nach Abschluß des ersten Bauabschnittes stellte die Gemeinde … dem Kläger am 11.03.1987 eine „Bescheinigung gemäß § 82 g Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) zur Vorlage beim Finanzamt” aus. Darin wurde dem Kläger bescheinigt, daß er eine Baumaßnahme im Sinne des § 43 Abs. 3 Satz 2 Städtebauförderungsgesetz durchgeführt und die Aufwendungen hierfür selbst getragen hat. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Bescheinigung vom 11.03.1987 (Blatt 2 der Einkommensteuerakten) verwiesen. Im Mai 1987 legten die Kläger diese Bescheinigung mit der Einkommensteuererklärung für 1986 dem Beklagten vor. Die beantragte Abschreibung gemäß § 82 g EStDV in Höhe von DM 15.998,– wurde dann auch bei der Einkommensteuerveranlagung 1986 sowie den Lohnsteuerermäßigungsverfahren 1988 und 1989 gewährt. Nachdem die Beklagte diese Abschreibung zunächst auch für das Streitjahr 1987 gewährt hatte, nahm sie hiervon in einer verbösernden Einspruchsentscheidung vom 18.04.1991 wieder Abstand. Zuvor hatte sich das beklagte Finanzamt mit dem Begehren, die Bescheinigung zurückzunehmen, an die Gemeinde … gewandt. Dies hatte die Gemeinde unter anderem mit dem Hinweis auf den Ablauf der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes abgelehnt.

Der Kläger ist der Auffassung, daß es den Finanzbehörden bereits nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt sei, sich nach Jahren und mehreren vertrauensbildenden Maßnahmen auf etwaige Fehler der Bescheinigung zu berufen. Im übrigen handele es sich bei der Bescheinigung nach § 82 g EStDV um einen Grundlagenbescheid, an den das beklagte Finanzamt gebunden sei. Ferner sei eine Unterscheidung zwischen Stadtsanierung und Dorferneuerung wegen der gleichen Zielsetzung dieser Projekte nicht geboten.

Die Kläger beantragen,

unter teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung den Einkommensteuerbescheid 1987 dergestalt zu ändern, daß die beantragte Abschreibung gemäß § 82 g EStDV in Höhe von DM 15.998,– in Ansatz gebracht wird.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

In Abstimmung mit der Oberfinanzdirektion Frankfurt ist das beklagte Finanzamt der Auffassung, die vorgelegte Bescheinigung sei entgegen ihrer Überschrift nicht als Bescheinigung im Sinne des § 82 g EStDV anzusehen, da sich aus ihrem Inhalt ergebe, daß das in Frage stehende Gebäude nicht in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich, sondern lediglich im Bereich eines Dorfentwicklungsplanes gelegen sei. Eine derartige Belegenheit solle aber nach dem Gesetzeswortlaut gerade nicht die Steuerbegünstigung auslösen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die in Frage stehenden Aufwendungen des Klägers für die Sanierung des Gebäudes … in … können gemäß § 82 g EStDV auf 10 Jahre abgeschrieben werden und sind nach § 52 Abs. 21 Satz 6 und 7 EStG auch nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung im Veranlagungszeitraum 1987 steuermindernd zu berücksichtigen.

Nach § 82 g Abs. 1 Satz 1 EStDV in der im Streitjahr geltenden Fassung können erhöhte Absetzungen von Herstellungskosten für bestimmte Baumaßnahmen vorgenommen werden, wenn das Gebäude „in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich” gelegen ist. Der Steuerpflichtige hat durch Vorlage einer Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachzuweisen, daß die bau- und raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen des § 82 g Abs. 1 Satz 1 erfüllt sind.

Bei dieser Bescheinigung handelt es sich um einen Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) für den Einkommensteuerbescheid als Folgebescheid.

Grundlagenbescheid kann nach der Legaldefinition des § 171 Abs. 10 AO nicht nur ein Festste...

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