Die negative Publizität schützt also das Vertrauen in die Nichtexistenz nicht eingetragener Tatsachen.[47] Für das Eingreifen der negativen Publizität ist es dabei ausreichend, dass die Tatsache nicht eingetragen oder nicht bekannt gemacht worden ist. Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an. Der Schutz des § 15 Abs. 1 HGB entfällt nur, wenn der Dritte positive Kenntnis von der entsprechenden Tatsache hatte. Grobe Fahrlässigkeit reicht hingegen nicht. Auch eine Nachforschungspflicht ist nicht gegeben.

 
Praxis-Beispiel

Nachforschungspflicht

Hat der Dritte im obigen Beispiel gerüchteweise gehört, dass die Prokura widerrufen worden ist, ist der Widerruf aber nicht in das Handelsregister eingetragen oder bekannt gemacht worden, kann sich der Dritte auf die Prokura berufen.

Den Dritten trifft aber keine Pflicht, sich auf das Handelsregister zu berufen. Er kann auch auf die wahre Rechtslage Bezug nehmen, wenn diese für ihn günstiger ist.

Er muss sich aber entscheiden, ob er sich auf die wahre Rechtslage oder den Rechtsschein des Handelsregisters berufen will. Er kann sich hingegen nicht in ein und demselben Fall sowohl auf die wahre Rechtslage als auch auf den Rechtsschein berufen. Dies wird auch als "Rosinentheorie" bezeichnet. Ein und dieselbe Person kann sich nicht in einem Fall nur die "Rosinen aus dem Kuchen picken" und sich gleichzeitig auf die wahre Rechtslage und den Rechtsschein des Handelsregisters berufen.

 
Praxis-Beispiel

Wahre Rechtslage und Rechtsschein

Dies wäre für den Dritten im obigen Beispiel z. B. erstrebenswert, wenn der "falsche" Prokurist im Namen des Unternehmens einen Vertrag mit ihm abschließt. Dann könnte der Dritte, wenn dies zulässig wäre, einerseits das Unternehmen in Anspruch nehmen und andererseits den "falschen" Prokuristen persönlich, da er nach § 179 BGB als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat. Dies ist jedoch nicht zulässig.

Ein Geschäftspartner muss sich aussuchen, ob er sich darauf berufen will, dass der Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen ist oder dass er de facto nicht Geschäftsführer ist. Es ist hingegen nicht möglich, sich gleichzeitig auf die wahre Rechtslage und den Rechtsschein zu berufen.

[47] Vgl. Merkt, in Hopt, HGB, 42. Aufl, München 2023, § 15 HGB Rz. 4; Krebs, in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch – Band 1, 5. Aufl., München 2021, § 15 HGB Rz. 28 ff.

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