Leitsatz

1. Bei der Bewertung eines Grundstücks für Zwecke der Schenkungsteuer sind bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens vorrangig die von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreise heranzuziehen.

2. Liegen keine vom Gutachterausschuss ermittelten Vergleichspreise vor, kann sich der Vergleichspreis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG auch aus einem zeitnah zum Bewertungsstichtag vereinbarten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück ergeben.

 

Normenkette

§ 9, § 177, § 182 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 1, § 183 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 198 Abs. 1 BewG

 

Sachverhalt

Der Kläger wendete der Beigeladenen aufgrund ­eines Schenkungsvertrags u.a. einen Betrag i.H.v. 920.000 EUR für den Erwerb bestimmter Grundstücke zu. Die auf die Schenkung entfallende Schenkungsteuer sollte laut Vertrag der Kläger übernehmen. Die Beigeladene erwarb die entsprechenden, mit einem freistehenden Einfamilienhaus bebauten Grundstücke zum Kaufpreis von 920.000 EUR.

In seiner Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts gegenüber dem FA ermittelte der Kläger den Grundbesitzwert im Sachwertverfahren mit 518.403 EUR. Das FA stellte demgegenüber im Wege des Vergleichswertverfahrens einen Grundbesitzwert i.H.v. 920.000 EUR fest. Dafür zog es den tatsächlich gezahlten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück heran. Vergleichspreise für vergleichbare Grundstücke oder Vergleichsfaktoren konnte der Gutachterausschuss für das zu bewertende Grundstück nicht mitteilen. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 26.5.2020, 11 K 3447/19 BG, Haufe-Index 14033458, EFG 2020, 1197).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Klägers zurück. Das FG habe zutreffend entschieden, dass das FA den Grundbesitzwert für das vom Kläger im Wege der mittelbaren Grundstücksschenkung zugewandte Grundstück richtig mit 920.000 EUR festgestellt habe. Der Kläger habe weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass der gemeine Wert niedriger sei als der gezahlte Kaufpreis.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der Bewertung von Grundstücken, insbesondere von Ein- und Zweifamilienhäusern, für Zwecke der ErbSt oder Schenkungsteuer.

1. Nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert und – bei mehreren Beteiligten – gesondert und einheitlich (§ 154 Abs. 1 Satz 2 BewG) festzustellen, wenn die Werte u.a. für die ErbSt oder die Schenkungsteuer von Bedeutung sind. Die Grundbesitzwerte sind nach § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens, zu denen der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör gehören (§ 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG), unter Anwendung der §§ 159 und 176 bis 198 BewG zu ermitteln.

2. Die Bewertung des Grundvermögens vollzieht sich im typisierten Verfahren und erlaubt nur zugunsten des Steuerpflichtigen den unmittelbaren Rückgriff auf den gemeinen Wert (§ 9 BewG) im Rahmen von § 198 BewG.

Der Gesetzgeber hat die verfassungsrechtlichen Anforderungen durch die in den §§ 179 und 182 bis 196 BewG vorgesehenen Bewertungsmethoden für einzelne Grundstücksarten umgesetzt. Sie enthalten keinen generellen Vorrang tatsächlich erzielter Verkaufspreise. Der vereinbarte Kaufpreis kann lediglich im Rahmen des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG zugunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. Die typisierenden Bewertungsmethoden gelten daher grundsätzlich auch dann, wenn das zu bewertende Grundstück in zeitlicher Nähe zum Bewertungsstichtag am Markt zu fremdüblichen Bedingungen erworben oder veräußert wurde. Gleichwohl hat sich die Auslegung der §§ 179 und 182 bis 196 BewG am gemeinen Wert zu orientieren (§ 177 BewG i.V.m. § 9 BewG). In diesem Zusammenhang kann daher ein zeitnah zum Bewertungsstichtag erzielter Kaufpreis von Bedeutung sein.

3. Die Bewertungsmethode für bebaute Grundstücke (§ 180 BewG) ist von der Grundstücksart (§ 181 Abs. 1 BewG) abhängig. Nach § 182 Abs. 2 Nr. 3 BewG sind Ein- und Zweifamilienhäuser grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten. Nur wenn kein Vergleichswert oder keine Vergleichsfaktoren vorliegen, sind sie im Sachwertverfahren zu bewerten (§ 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG).

Bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind nach § 183 Abs. 1 Satz 1 BewGKaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Grundlage sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192ff. BauGB mitgeteilten Vergleichspreise (§ 183 Abs. 1 Satz 2 BewG). Anstelle von Preisen für Vergleichsgrundstücke können nach § 183 Abs. 2 Satz 1 BewG von den Gutachterausschüssen für geeignete Bezugs­einheiten, insbesondere Flächeneinheiten des Gebäudes, ermittelte und mitgeteilte Vergleichsfaktoren herangezogen werden.

4. Liegen weder vom Gutachterausschuss ermittelte Vergleichspreise noch Vergleichsfaktoren vor, ist der Rückgriff auf andere Berechnungsgrundlagen und ‐methoden möglich.

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