Leitsatz

Erhebt ein Elternteil Klage mit dem Ziel, ihm Kindergeld zu gewähren, ist der andere Elternteil selbst dann nicht notwendig zum Verfahren beizuladen, wenn er bei Stattgabe der Klage das bisher zu seinen Gunsten festgesetzte Kindergeld verliert.

 

Normenkette

§ 64 Abs. 1 EStG , § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG , § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO

 

Sachverhalt

Der Kläger und M waren die Eltern eines Kindes, das im Rahmen einer fürsorgerechtlichen Betreuung in einem Heim untergebracht war und für das nur der Kläger Barunterhalt leistete. M war Kindergeld gewährt worden, welches aufgrund einer Abzweigung an das Jugendamt ausbezahlt worden war. Der Kläger hatte unter Hinweis auf seine Zahlungen beantragt, das Kindergeld ihm zu gewähren.

Der Beklagte gab dem Antrag nur teilweise statt. Das FG hat M gem. § 60 Abs. 3 FGO zum Klageverfahren beigeladen. Dagegen richtete sich die Beschwerde des Klägers.

 

Entscheidung

Der BFH hob den Beiladungsbeschluss auf. Zwar könne Kindergeld für ein Kind nur einmal und nur an einen Berechtigten gezahlt werden; die Verwaltung sei auch verpflichtet, die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem bisher Berechtigten aufzuheben, wenn es das Kindergeld einem anderen zuspreche.

Dieser sachlogische und verfahrensrechtliche Zusammenhang reiche aber für eine notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO nicht aus. Für sie bestehe auch kein Bedürfnis, weil die Verwaltung die Wirkungen einer notwendigen Beiladung durch einen Antrag nach § 174 Abs. 5 AO herbeiführen könne.

 

Hinweis

Nach § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte beizuladen, wenn sie an einem streitigen Rechtsverhältnis derartig beteiligt sind, dass die Entscheidung ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist – über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehend – dann der Fall, wenn die Entscheidung nach Maßgabe des materiellen Steuerrechts notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechts-beziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt (dazu etwa BFH, Beschluss vom 12.1.2001, VI R 49/98, BFH-PR 2001, 203). Die notwendige Beiladung soll sicherstellen, dass eine Sachentscheidung, die die Rechte eines Dritten betrifft, nicht ohne Beteiligung dieses Dritten erlassen wird und dieser an die Rechtskraft des in der Sache ergehenden Urteils nach Maßgabe des § 110 Abs. 1 FGO gebunden ist.

Im Kindergeldverfahren stellt sich die Beiladungsfrage vor allem dann, wenn sich mehrere Kindergeldberechtigte um das Kindergeld streiten. Hier waren dies – außer dem mitbetroffenen Jugendamt – die Eltern des Kindes. Ihre widerstreitenden Interessen sind vor allem dann offenkundig, wenn die Verwaltung dem einen Elternteil das Kindergeld aberkennt und es dem anderen zuspricht.

Diese Interessenlage verpflichtet das FG aber nicht zur Beiladung des nicht klagenden Elternteils. Es kommt darauf an, ob die Kindergeldfestsetzung unmittelbar auf die Rechte dieses Elternteils einwirkt. Das ist nicht der Fall. Es ist Sache der Verwaltung, dem betroffenen Elternteil gegenüber durch Aufhebung der Kindergeldfestsetzung die materiell-rechtlich zutreffende Rechtslage herzustellen.

Den verfahrensrechtlichen Gleichklang kann die Verwaltung dadurch herstellen, dass sie die Beiladung des nicht klagenden Elternteils nach § 174 Abs. 5 AO beantragt und dadurch erreicht, dass sich die Rechtskraft des Urteils auch auf diesen erstreckt. Eine notwendige Beiladung des betroffenen Elternteils nach § 60 Abs. 3 FGO ist aber ausnahmsweise dann erforderlich, wenn ein abzweigungsberechtigter Sozialleistungsträger (etwa das Jugendamt nach dem Bundessozialhilfegesetz), der das Kind unterhalten hat und an den das Kindergeld deshalb bisher ausbezahlt wurde, gegen die Aufhebung eines Kindergeldbescheids klagt. Hier muss der Elternteil beigeladen werden, weil sich das Urteil auf seine Kindergeldberechtigung bezieht und diese Voraussetzung für die Zahlung des Kindergelds an den Sozialleistungsträger ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 16.4.2002, VIII B 171/01

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