In der Praxis haben sich bestimmte Fallgruppen herausgebildet, bei denen die Verschaffung der Verwertungsbefugnis zu bejahen ist. Diese Fallgruppen sind nicht abschließend. Auch anderweitige Sachverhalte können den Anforderungen des § 1 Abs. 2 GrEStG genügen. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Verhältnisse im Einzelfall.

Bei den in der Praxis bedeutendsten Fallgruppen handelt es sich um:

  • die Verkaufsermächtigung. Unter der Verkaufsermächtigung ist die Ermächtigung zur Veräußerung eines Grundstücks auf eigene Rechnung des Verkaufsermächtigten zu verstehen. Die Verkaufsermächtigung kann beruhen z. B. auf der vom Grundstückseigentümer erteilten Vollmacht oder erklärten Einwilligung zur Grundstücksveräußerung;
  • den Immobilienleasingvertrag. Leasing ist die Nutzungsüberlassung einer Sache, wobei seine Bedeutung in einer Finanzierungsalternative besteht. Das Leasingobjekt wird vom Leasinggeber angeschafft und finanziert und dem Leasingnehmer gegen ein Entgelt zur Nutzung überlassen. Maßgebend für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung von Immobilien-Leasing-Verträgen ist deren jeweilige Ausgestaltung. Der Abschluss eines Immobilien-Leasing-Vertrags kann dabei bereits zur Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG führen;
  • die Einbringung eines Grundstücks dem Werte nach. Von der Einbringung eines Grundstücks dem Werte nach spricht man, wenn aufgrund von Vereinbarungen zwischen der Personengesellschaft und dem Grundstückseigentümer das Grundstück der Gesellschaft überlassen wird und Wertveränderungen des Grundstücks der Personengesellschaft und nur vermittels des Gesellschaftsverhältnisses den Gesellschaftern zugute kommen.[1] Das Eigentum an dem Grundstück wird nicht auf die Personengesellschaft übertragen;
  • die Treuand. Der Treuhänder erwirbt Vermögensrechte, beispielsweise das Eigentum an einem Grundstück, zu eigenem Recht und übt diese Rechte zwar im eigenen Namen, aber nicht (ausschließlich) im eigenen Interesse aus. Die Person, in deren Interesse das Recht ausgeübt wird, ist der Treugeber. Der Treuhänder unterliegt bei der Ausübung seiner Rechte und Pflichten den Weisungen des Treugebers. Er handelt für Rechnung des Treugebers.[2]
 
Hinweis

Keine Verwertungsbefugnis

Eine Verwertungsbefugnis ist z. B. nicht gegeben, wenn[3]

  • die Einwirkungsmöglichkeiten eines Dritten auf das Grundstück nicht über diejenigen eines Mieters oder Pächters (auch nicht bei langfristigem Vertragsverhältnis) hinausreichen,[4]
  • eine unbeschränkte Vollmacht zur Grundstücksveräußerung erteilt wird, ohne dass ein erzielter Mehrerlös dem Berechtigten zufließen soll,
  • ein Grundpfandrechtsgläubiger ein Grundstück bei Eintritt der Pfandreife durch Zwangsvollstreckung verwerten und sich aus dem Versteigerungserlös wegen seiner Forderung befriedigen kann,[5]
  • einem Kaufanwärter lediglich ein Besitz- und Nutzungsrecht an einem Grundstück eingeräumt wird,
  • ein zweiseitiger Vorvertrag über ein Grundstück geschlossen wird,
  • im Flurbereinigungsverfahren ein Dritter nach einer zu seinen Gunsten erklärten Landverzichtserklärung vorläufig in Besitz und Nutzungen eingewiesen wird,[6]
  • einem Leasingnehmer das Recht eingeräumt ist, zum Ablauf des Leasingvertrages den Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingangebot mit dem Leasinggeber (zu einem feststehenden Kaufpreis) herbeizuführen[7]

Auch die Stellung als Alleingesellschafter einer GmbH begründet keine Befugnis i. S. d. § 1 Abs. 2 GrEStG, die Grundstücke der GmbH für eigene Rechnung zu verwerten. Der Alleingesellschafter einer GmbH kann zwar in Gestalt eines Gesellschafterversammlungsbeschlusses oder ggf. in seiner zusätzlichen Eigenschaft als Geschäftsführer auf das Schicksal der Grundstücke der GmbH Einfluss nehmen und über den Gewinn der Gesellschaft einen etwaigen Mehrerlös aus der Veräußerung der Grundstücke an sich ziehen. Er ist dabei aber auf seine Mitwirkungsrechte in den Organen der GmbH angewiesen, deren Handeln der GmbH zuzurechnen ist.[8]

[1] Die Grunderwerbsteuer für die Übertragung der Verwertungsbefugnis wird nach § 5 Abs. 2 GrEStG insoweit nicht erhoben, als der wirtschaftlich einbringende Gesellschafter am Vermögen der Personengesellschaft beteiligt ist.
[2] Vgl. hierzu die gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl 2018 I S. 1074. In den Erlassen werden die Grundfälle im Zusammenhang mit der Begründung, Übertragung oder Rückgängigmachung von Treuhand- und Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnissen dargestellt.
[3] Vgl. Zöllner in: Lippross/Seibel (Hrsg.), Basiskommentar Steuerrecht, § 1 GrEStG Rz. 54, 82. Aufl./Lfg. 2.2014.
[6] BFH, Urteil v. 17.5.2000, II R 47/88, BStBl 2000 II S. 627.

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